ZDF-Talk "Markus Lanz"

Sicherheitsexperte warnt bei "Lanz" vor China-Abhängigkeit: "Russland ist ein kleines Vorspiel"

04.11.2022 von SWYRL

Der Kanzler flog nach China, kurz nachdem sich ein chinesischer Staatskonzern eine Beteiligung an einem Hamburger Hafenterminal gesichert hatte. Bei "Markus Lanz" wurde über die Gefahr wirtschaftlicher Abhängigkeit diskutiert. Ein Politikwissenschaftler befürchtet wirtschaftlich einen "größeren Konflikt" als den mit Russland.

Am Donnerstag brach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu seiner umstrittenen China-Reise auf. Erst kurz zuvor hatte sich ein chinesischer Staatskonzern eine Beteiligung an einem Hamburger Hafenterminal gesichert - mit dem Segen des Kanzlerzs. Kritik an dessen China-Politik äußerte unter anderem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Bei "Markus Lanz" waren am Donnerstagabend die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China das große Thema. Sicherheitsexperte Christian Mölling richtete im ZDF-Talk einen Appell an die Bundesregierung, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten vom Reich der Mitte zu reduzieren.

Fairerweise müsse man erwähnen, dass Olaf Scholz vor seinem China-Besuch nach Japan gereist war, "was ein großer Affront für China gewesen ist", räumte Mölling ein. Der Sicherheitsexperte erläuterte, man würde im Umgang mit China noch auf alten Pfaden wandeln: Menschenrechte betonen und dennoch Geschäfte machen zu wollen.

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Christian Mölling: Deutschlands China-Politik hat nur noch "wenige Optionen"

Offenbar hätte sich Mölling statt eines deutschen Alleingangs ein europäisches Signal gewünscht: "Leider ist Olaf Scholz alleine gefahren und nicht mit einer europäischen Delegation." So bestehe die Gefahr einer "Zersplitterung". Denn alleine habe man in Zukunft noch weniger Möglichkeiten, mit einer "Wenn, dann"-Bedingung Menschenrechte einzufordern. "Zurzeit ist es China, oder Xi Jinping, der sagt: 'Wenn, dann.'"

Nach Ansicht des Sicherheitsexperten komme Scholz ohnehin "relativ spät ins Spiel", um dem chinesischen Einfluss etwas entgegenzusetzen. Laut Mölling gebe es nur noch "wenige Optionen, günstig aus der Sache rauszukommen". Klar ist seiner Ansicht nach: "Bedingungen zu stellen, wird sehr, sehr schwer." Die einzige Möglichkeit hierfür wäre, einen größeren Schritt Richtung Unabhängigkeit von China zu machen. Dies wäre jedoch ein gewagtes Manöver. Die multiplen Krisen sorgen schon jetzt für soziale und wirtschaftliche Anspannung.

Hamburger Hafenterminal "einer von unzähligen kleinen Böcken"

Dann kam Gastgeber Markus Lanz auf die chinesische Beteiligung am Hamburger Hafenterminal zu sprechen. Vor einem Jahr wäre dies nur eine kleine Meldung gewesen, für die sich vielleicht Wirtschaftszeitungen interessiert hätten, vermutete Lanz. Heute sei dies jedoch eine andere Welt. "Ist das ein Riesen-Bock, den wir uns da gerade geschossen haben?", wollte der Talker von Mölling wissen.

"Nein, es ist kein Riesen-Bock", beschwichtigte der Politikwissenschaftler. Allerdings folgte ein gewichtiges "Aber": "Es ist einer von unzähligen kleinen Böcken." Es gebe laut Mölling keine Art Showdown, nicht den konkreten Entschluss, der alles entscheide. Die Entscheidung im Hamburger Hafen sei ein ungünstiger "Mosaikbaustein", der für sich alleine nicht günstig sei, aber auch nichts zum Kippen bringe.

Allerdings habe man hier festgestellt, dass man einen "systemischen Konflikt" mit dem Reich der Mitte habe. Mit Blick auf den sogenannten Wirtschaftskrieg mit Russland fügte er an: "Der ist viel größer mit China als mit Russland." Christian Mölling führte weiter aus: "Da ist Russland sozusagen ein kleines Vorspiel. Was mit China bevorsteht, ist ein viel größerer und langwieriger Konflikt."

Für sich alleine ist die Verflechtung am Hamburger Hafen also offenbar kein Drama. Wichtig war dem Sicherheitsexperten jedoch zu betonen, dass die Chinesen sich eben nicht nur Minderheitsanteile in der Hansestadt sichern, sondern über ganz Europa hinweg. "Das alleine ergibt schon ein Netz." Dann müsse man hinterfragen, welche Lieferketten über Hamburg, Rotterdam oder Zypern China stören könne.

Ökonom Stamer: "Nicht jeder Handel ist schlecht"

Für Ökonom Vincent Stamer sei die wichtigste Frage: "An welchen Stellen gibt es Abhängigkeiten von China, wo müssen wir dieser Abhängigkeit begegnen?" Grundsätzlich stimmte er den Ansichten der Runde zu, als Ökonom sehe er das aber differenzierter: Nicht jedes gehandelte Gut mit China sei automatisch eine Abhängigkeit. Wichtig sei demnach zu definieren, wo der nützliche Handel für die Gesellschaft aufhöre und ab wann die Abhängigkeit vom Handelspartner beginne. Auf den Punkt gebracht: "Nicht jeder Handel ist schlecht." Dass man eine wichtige Reederei wie Cosco an den Hamburger Hafen binden könne, sei grundsätzlich etwas Positives.

Daraus, dass nicht jedes gehandelte Gut eine Abhängigkeit Deutschlands bedeute, schloss Stamer, dass Olaf Scholz und die Bundesregierung gegenüber Xi Jinping in ihren Forderungen selbstbewusster auftreten könnten. Geht es um mögliche Aufkündigung von Wirtschaftsbeziehungen, müsse man nach Meinung des Ökonoms eine Unterscheidung zwischen kurzfristigen und langfristigen Folgen vornehmen. "Kurzfristig wären die Schäden wirklich massiv", erklärte Stamer. Aber: "Langfristig kann man diese Abhängigkeit abbauen."

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