"Die große Elchwanderung" bei RTL+ und GEO Television

Schwedischer TV-Kult jetzt auch bei uns: Was lehrt uns der Elch?

15.04.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Seit 2019 feiert das schwedische Fernsehen mit der unkommentierten Übertragung der jährlichen Elchwanderung einen Quotenhit, der sogar Preise gewann. Am 22. April streamen nun auch RTL+ und GEO Television den 14-tägigen Slow-TV-Hit für Deutschland. Was genau kann man da eigentlich sehen?

In New York gab es vor einigen Jahren mal massenhaft Zuschauerproteste, als die Dauer-Übertragung eines brennenden Kamins zum Jahreswechsel vom produzierenden Sender eingestellt wurde. Den Menschen fehlte ihr Slow-TV, der Genuss eines langsam kontemplativen Fernseh-Ereignisses, so sehr, dass das Programm reaktiviert wurde. Etwas ereignisreicher als das Lagerfeuer-Watching ist immerhin die vom schwedischen Fernsehen SVT im Jahr 2019 erstmals übertragene frühjährliche Wanderung der Elche von der Küste ins Landesinnere. 15 ferngesteuerte Kameras und zwei Kameraleute erforschen dabei das nordschwedische Ångermanland, wo die stoischen Tiere seit mehreren tausend Jahren auf Nahrungssuche in fruchtbarere Regionen wandern. Nun ist das Programm unter dem Titel "Die große Elchwanderung" auch im Programm von RTL+ und GEO Television gelandet.

Ab 22. April um Mitternacht - man fragt sich, wer dann die Lampen aufstellt - wird neben dem einfachen Livestream für 14 Tage bei RTL+ auch ein viergeteilter "Quadstream" angeboten - damit man bloß nichts verpasst. Auch GEO Television überträgt täglich um 6 Uhr sowie um 18.45 Uhr für jeweils 90 Minuten live im TV. Wer Schlüsselmomente verpassen sollte, kann über tägliche "Highlight-Clips" auf RTL+ auf dem Laufenden gehalten werden. Wie diese aussehen könnten, ist bereits jetzt bei RTL+ anschaubar: Highlight-Clips der Vergangenheit zeigen ruhige Drohnenflüge über noch verschneite Wälder und Seen, Bären und kleinere Fleischfresser freuen sich über Tierkadaver, die jedoch aus ästhetisch unbedenklicher Distanz gefilmt werden. Und dann als Höhepunkt: schwimmende Elche, die den Fluss Ångermanälven durchqueren.

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Deutsche Slow TV-Klassiker mit Bahnstrecken und Flussfahrten

Überhaupt der Elch: Männliche Exemplare erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge bis zu drei Metern, eine maximale Schulterhöhe von 2,30 Metern, und sie wiegen bis zu 800 Kilogramm. Dennoch kommen die Kolosse maximal gemütlich daher. Ihr Bewegungsapparat versprüht eine Grundüberzeugung von Entspannung und Kraft. Die irgendwie überlangen Beine erzeugen einen fast komödiantischen High Heels-Effekt, der für Erheiterung in der Kälte sorgt.

Woher der Erfolg des Programms kommt, ist auch ohne abgeschlossenes Psychologiestudium zu erahnen: Wir alle sehnen uns nach mehr Ruhe und Langsamkeit. Weg mit Tempo, schnellen Schnitten, Second und Third Screen oder Multi-Tasking! Von daher: Selbst der von RTL+ angebotene "Quadstream" ist doch eigentlich zu viel, oder? "Lasst uns doch einfach mal beim Ruhebild bleiben", möchte man den Leuten vom Privatfernsehen respektive dessen Streamingdienstes zurufen. Auch die Idee einer Highlight-Zusammefassung widerspricht eigentlich dem Konzept - auch wenn man sagen muss: Auch hier herrscht noch große Langsamkeit.

Slow-TV gab es in Deutschland schon vor dem schwedischen Import der Elchwanderung. Das Erste zeigte etwa ab 1995 die Reihe "Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands". Anderswo fuhren Autos mit fest installierter Kamera durch Städte oder über Land. Der NDR hievte 2017 mit "Die Elbe. Ganz in Ruhe." eine fünfstündige Flussfahrt von Bleckede nach Hamburg mit dem alten Raddampfer "Kaiser Wilhelm" ins Dritte Programm. Höhepunkte damals: Ab und an ein paar winkende Menschen am Ufer. Ob der Slow TV-Trend auch hierzulande ein Volltreffer wird, bleibt abzuwarten. Der Natur beim Funktionieren zuzusehen, könnte vielen Menschen gerade in unruhigen, beängstigenden Zeiten wie diesen sicher guttun. Also: Lasst die Elche schwimmen!

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