04.12.2025 von SWYRL/Elisa Eberle
Eine Münsteraner Fahrradmanufaktur hat den Drahtesel neu erfunden. Doch präsentiert wird stattdessen eine schockgefrostete Leiche ... Der letzte "Tatort" mit Mechthild Großmann wird für die von ihr dargestellte Staatsanwältin überraschend persönlich.
Es war eine traurige Nachricht für Fans des Münster-"Tatorts": Im August 2024 gab Mechthild Großmann, die seit dem ersten Kriminalfilm "Der dunkle Fleck" (2002) die Staatsanwältin Wilhelmine Klemm verkörpert, ihren Ausstieg aus der Reihe bekannt. Mit "Tatort: Die Erfindung des Rades" endet nun also eine Ära im Ersten. Der Film (Regie: Till Franzen, Drehbuch: Thorsten Wettcke) ist eine tiefe Verbeugung vor der inzwischen 76-jährigen Schauspielerin.
Die Ehrerbietung fängt, wenn man so will, bereits in einer der ersten Szenen des 90-Minüters an: "Was ist denn mit Ihnen passiert? Haben Sie mit Reißzwecken gegurgelt?", wundert sich Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) über seinen Kompagnon Frank Thiel. Tatsächlich klingt die Stimme des Münster Kommissars fast so wie die der ihm vorgesetzten Staatsanwältin: "Ich war beim Klassentreffen in Hamburg, und da war meine alte Schulband. Da haben wir wohl ein bisschen viel Gas gegeben."
Von einer ungewohnten Seite zeigt sich in diesem 48. Film der Reihe aber auch Boerne: Der Oldtimer-Enthusiast möchte plötzlich unter die Fahrradfahrer gehen! Natürlich darf es für den Abkömmling eines westfälischen Geschlechts kein gewöhnlicher Drahtesel wie der von Thiel sein. Boerne erwägt die jüngste Entwicklung des Traditionsunternehmens Hobrecht & Hobrecht zu erwerben: Bei Bauarbeiten, so verkündet der stolze Seniorchef Kurt Hobrecht (Hannes Hellmann) bei einem Termin vor geladenen Gästen, wurde im Keller des Unternehmens eine Schatulle mit einer technischen Zeichnung aus dem Jahr 1882 gefunden: "Die beweist, dass das erste Fahrrad mit gleich großen Rädern und Kettenantrieb nicht 1884 in Coventry, England erfunden wurde, sondern zwei Jahre zuvor, hier in Münster."
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Stammt das erste Fahrrad wirklich aus Münster?
Basierend auf der Zeichnung ließ Kurt Hobrecht zu Ehren seines Vorfahren ein Fahrrad entwickeln. Doch anstelle des Gefährts kommt beim Öffnen der Kiste eine Kühltruhe samt Leiche zum Vorschein. Bei dem Toten handelt es sich um Albert Hobrecht (Heinrich Giskes), den in Ungnade gefallenen Bruder des Seniorchefs. Juniorchef Konstantin Hobrecht (Franz Hartwig) erzählt: "Opa Klaus hat Anfang der 80er-Jahre ein Machtwort gesprochen, hat Albert rausgeschmissen und Papa zu seinem Nachfolger gemacht." Den Grund dafür kennt er nicht. Fakt ist allerdings, dass Albert ein ungemütlicher Zeitgenosse gewesen sein muss: Wie seine jahrelange Haushälterin Hilde (Julia Schmitt) berichtet, wurde sie vor einem halben Jahr überraschend und unpersönlich gekündigt, weil Albert auf eine "lange Reise ging".
Kommissar Thiel bekommt es bei den Ermittlungen mit verletzten Gefühlen und immer neuen (falschen) Geständnissen zu tun, während Boerne und seine Assistentin Silke Haller (ChrisTine Urspruch) schon bald einem Familiengeheimnis mit historischer Tragweite auf der Spur sind. Und was ist mit Staatsanwältin Klemm? Die scheint sich ungewöhnlich persönlich für eine saubere Aufklärung des Falls zu interessieren ...
So geht es im Münster-"Tatort" weiter
"Tatort: Die Erfindung des Rades" ist ein solider Schmunzelkrimi, der hält, was der "Tatort" aus Münster seit jeher verspricht: eine spannende, leicht abgedrehte Geschichte mit vielen Slapstick-Einlagen und einer skurrilen, ausgedachten Anekdote zur Geschichte der Fahrradstadt Münster. Filmisch interessant ist dabei vor allem die Eröffnungsszene, die Regisseur Till Franzen ("Tatort: Der Mann, der in den Dschungel fiel") im Senderinterview beschreibt: "Die Erzählung führt uns zurück ins Jahr 1882, als das Fahrrad vielleicht nicht in Coventry, London, sondern in Münster erfunden wurde. Um das erzählerisch einzufangen, haben wir kontrastreiche Schwarzweißaufnahmen gewählt, die einen dramatischen, historischen Ton anschlagen - inspiriert etwa vom Look aus "Der Elefantenmensch" von David Lynch. Ein historischer Film Noir quasi."
Die größte Herausforderung, so fährt der 52-Jährige fort, sei es jedoch gewesen, "der Figur Wilhelmine Klemm in ihrem letzten Auftritt die Größe und Würde zu geben, die sie verdient. Mechthild Großmann hat mit ihrer unverwechselbaren Präsenz über viele Jahre eine Figur geprägt, die streng, unnahbar und zugleich charismatisch war. Diesen Abschied mussten wir so erzählen, dass er emotional berührt, aber nicht sentimental wird - also in dem feinen Ton, der auch die Münster-Tatorte auszeichnet."
Als Autor für ihr letztes "Tatort"-Drehbuch hatte Mechthild Großmann eigenhändig Thorsten Wettcke ausgewählt: "Es war mir eine große Freude und Ehre, dass Frau Großmann mich für diese Aufgabe auserkoren hatte", sagt er. Wie genau er Klemms Karriere enden lässt, sei an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten. Fakt ist, dass das Duo Boerne und Thiel künftig im Auftrag einer neuen Staatsanwältin ermitteln: Die 33-jährige Lou Strenger schlüpft in die Rolle der Interims-Staatsanwältin Nikola König. Ihr erster Film unter dem Arbeitstitel "Tatort: Maskerade" spielt im westfälischen Karneval und ist bereits abgedreht.



