Zu Gast im "Sportschau Thema"

"Das Problem ist in der Kabine": Thomas Hitzlsperger spricht über Homosexualität im Fußball

17.12.2020 von SWYRL/Julian Weinberger

Wie homophob ist der Fußball? Sechs Jahre nach seinem Outing sprach Thomas Hitzlsperger im "Sportschau Thema" über Homosexualität im Profisport. Eine Ex-Nationalspielerin berichtete aus dem Frauenfußball - und auch DFB-Präsident Fritz Keller bezog Stellung.

2014 ging ein Ruck durch den deutschen Fußball: Thomas Hitzlsperger, der wenige Monate zuvor seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt hatte, outete sich als homosexuell - ein Novum. Noch nie zuvor hatte sich ein Spieler von solchem Rang - Hitzlsperger gewann 2007 die Meisterschaft mit dem VfB Stuttgart und war Nationalspieler - öffentlich dazu bekannt, schwul zu sein. Die Entscheidung des Profifußballers wurde von vielen Seiten als mutig und richtig anerkannt und gelobt. Der heute 38-Jährige erhielt für sein Engagement gegen Diskriminierung kürzlich sogar das Bundesverdienstkreuz.

Zu Gast bei Moderatorin Jessy Wellmer im "Sportschau Thema" zum Thema "Wie homophob ist der Fußball?" blickte der Ex-Nationalspieler und heutige Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart am Mittwochabend auf sein Outing zurück. "Mein Leben hat sich verbessert. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, die wunderbar sind", resümierte Hitzlsperger. Er sei froh, heute an dem Punkt zu sein, an dem er sich befindet, betonte er. Dennoch: Seit Hitzlspergers Outing hat sich kein Fußballer aus den großen europäischen Ligen mehr zu seiner Homosexualität bekannt.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter
Mit Anklicken des Anmeldebuttons willige ich ein, dass mir die teleschau GmbH den von mir ausgewählten Newsletter per E-Mail zusenden darf. Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und kann den Newsletter jederzeit kostenlos abbestellen.

Kontrastprogramm Frauenfußball

"Es scheint so eine große Angst zu geben, dass sich das Leben verschlechtert", vermutete der Ex-Profi. Vielen Spielern fehle in dem "stromlinienförmigen System" die Perspektive, dass "ein Leben viel länger geht als die Profikarriere". Zudem stellte Hitzlsperger fest: "In der Anfangszeit schaut man links und rechts und sucht Vorbilder." Der 38-Jährige betonte aber auch, es sei falsch, nur darauf zu warten, dass sich erneut ein Profi oute.

Stattdessen wies er auf viele Verbesserungen im Kleinen während der letzten Jahre hin, etwa schwul-lesbische Fanclubs. Er ging sogar so weit, zu sagen: "Wenn man sich heute outet als Fußballer, kann man eine Marke werden." Das Problem liege woanders, vermutete Hitzlsperger: "Das Problem ist in der Kabine. Es wird in jeder Kabine einen Spieler geben, der sich extrem unwohl fühlt." Durch ein Outing würde sich das Klima in der Mannschaft verändern und so auch die Leistung des Teams beeinflusst werden.

Ein gegensätzliches Bild lieferte die Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme vom Frauenfußball. Die 29-Jährige, die sich während ihrer Karriere als bisexuell outete, berichtete von einer "Weltoffenheit im Athletenkreis": "Es wussten teils meine Freundinnen oder Kolleginnen schon eher als ich." Ihr sei es wichtig gewesen, ihren eigenen Werten treu zu bleiben: "Ich glaube, man sollte diese Entscheidung nicht nach dem Appell treffen, jemand anderem den Weg zu ebnen." Kemme zeigte sich überzeugt: "Die zehn, 15 Jahre an Karriere: Wenn du immer dieses Bedürfnis nach Liebe hinten wegsteckst, das holt dich irgendwann ein." Gleichzeitig appellierte sie an Vereine und Verbände, zu gewissen Grundwerten zu stehen.

Das macht der DFB

Die Vorlage Kemmes nutzte der zugeschaltete DFB-Präsident Fritz Keller für die klare Botschaft: "Wir stehen für Vielfalt und angstfreien Fußball." Außerdem bezeichnete der Funktionär Thomas Hitzlsperger als "wahren Helden": "Ich bin so froh, dass du unser Botschafter für Vielfalt bist." Doch Keller räumte auch ein, dass bisher noch zu wenig gemacht worden sei, um Diskriminierung zu bekämpfen, etwa in Jugendmannschaften sowie bei der Trainer- und Betreuerausbildung. Bis auf den Verweis auf eine neu geschaffene Anlaufstelle für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt blieb der DFB-Präsident konkrete Handlungsschritte jedoch schuldig.

Dies war Anlass genug für Kevin Kühnert, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und ebenfalls Gast in der Sendung, kritisch anzumerken, es gehe nicht nur um Proklamieren, sondern auch um Durchsetzung neuer Standards. Sich auf die politische Neutralität im Stadion herauszureden, sei in diesem Zusammenhang Augenwischerei: "Hier geht es nicht darum, dass Kevin Kühnert mit einer SPD-Fahne ins Stadion will, sondern hier geht es um grundlegende Spielregeln im Umgang." Hitzlsperger sprang an dieser Stelle jedoch für den DFB in die Bresche und lobte, "dass seit vielen Jahren der Bereich Vielfalt und Anti-Diskriminierung" sehr ernst genommen werde.

Das könnte dir auch gefallen


Trending auf SWYRL