"World White Hate"

Bautzener Beamtin klagt in TV-Doku über rechten Hass: "Begegnet mir hier einfach überall"

08.07.2025 von SWYRL

Rechtsextremismus und Verschwörungsideologien sind Birgit Kieschnicks tägliche Begleiter. Trotzdem kämpft die Bautzener Beamtin gegen rechtsradikale Strömungen, wie sie in einer neuen ARTE-Dokumentation schildert.

Hanau, 19. Februar 2020: Neun junge Menschen mit Migrationshintergrund sterben, weil Attentäter Tobias Rathjen in seiner Weltanschauung voller Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungstheorien keinen Platz für sie sah. Eines der Opfer war Ferhat Unvar. Seine Mutter Serpil kämpft heute mit einer eigens gegründeten Initiative gegen Rechtsextremismus. "Diese Kinder sollen nicht umsonst gestorben sein. Dann muss ich weitermachen für ihn", erklärt sie in der neuen ARTE-Dokumentation "World White Hate".

Trotz des schrecklichen Anschlages ist Unvar in Hanau geblieben: "Ganz viele Familien sind umgezogen, ich nicht." Selbst als der Vater des Täters sie nach dem Anschlag schikanierte, blieb sie. Mit ihrer Initiative will sie weiteren potenziellen Attentaten vorbeugen: "Wegen Rassismus und Diskriminierung verlieren wir diese junge Kraft."

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Aktivistin aus Bautzen über Kampf gegen Rechtsradikale: "Ich bin die Feindin"

Doch mitunter ist es ein Kampf gegen Windmühlen, wie auch Birgit Kieschnick zu berichten weiß. Die Beamtin im Katasteramt von Bautzen will nicht tatenlos zusehen, wie rechtsradikale Kräfte in ihrer Heimat immer stärker werden. "Verschwörungsideologie, Antisemitismus, Rechtsextremismus ist mir hier überall begegnet, einfach überall", sagt sie. In einer Gegend, in der die AfD bei der Bundestagswahl 2025 auf 48,3 Prozent der Stimmen kam, fühlt sich Kieschnick in ihrem Vorhaben oft alleingelassen: "Jeder ist aufgefordert, den Mund aufzumachen und zu warnen. Viele sind nur noch still und verzweifelt."

Aufgeben sei aber keine Option, schließlich werde "dieser Staat angegriffen", und das seit Jahren, argumentiert die Aktivistin. "Man versucht, mir das Leben schwerzumachen", erzählt Kieschnick von anonymen Drohbriefen. "Dieser Hass, das ist körperlich zu spüren." Obwohl sie die Verzweiflung "krank" mache, sei es auch keine Alternative, die Füße stillzuhalten, ist sie überzeugt, räumt aber auch ein: "Ich bin die Feindin - und das ist gruselig. Die weben dich ein in ihre Verschwörung."

Wegen Kampf gegen Neonazis: US-Veteran trägt Waffe selbst im eigenen Haus

Mit Drohungen kennt sich auch Kristoffer Goldsmith aus. Der US-Veteran spürt mit seiner gemeinnützigen Organisation seit Jahren Neonazis im Netz auf, enttarnt Avatare. "Es ist ein virtuelles Schlachtfeld", seufzt er. "Wir existieren, um es für diese Neonazis teuer und schwierig zu machen, ihre Arbeit fortzusetzen." Diese Arbeit ist gefährlich - und nicht ohne Konsequenzen. Seine Mutter habe vergangenes Jahr eine Entführungsdrohung ausgesprochen bekommen, persönlich an ihrer Haustür, überbracht von einem Neonazi.

Aufgrund seiner Nachforschungen kursierte Goldsmiths Privatadresse in einschlägigen Foren. "Ich trage jetzt eine Waffe - in meinem Haus", erklärt er. Obwohl er Kontakt mit dem FBI und dem Justizministerium steht, tut sich kaum etwas, denn: "Auf die meisten Informationen reagieren die Strafverfolgungsbehörden nicht." Anwältin Amy Spitalnick macht sich ähnliche Sorgen: "Das Land entwickelt sich in eine Richtung, in der nur noch sehr wenige Orte sicher sind." Gegen die anpassungsfähigen Extremisten zu kämpfen, gleiche dem Kampf mit einer "neunköpfigen Schlange": "Aber wir müssen uns wehren."

Dazu bemängelt sie fehlende Unterstützung von der Politik: "Es gibt wenig Anreize für Politiker, das Richtige zu tun, weil viele von ihnen sogar belohnt wurden, indem man ihren Extremismus normalisiert hat." Zeneta Everhart, deren Sohn bei einem Anschlag in Buffalo angeschossen wurde, klagt außerdem Social-Media-Dienste an: "Sie sollten mir im Gerichtssaal ins Gesicht sehen müssen und mir dabei erklären, warum es für sie okay war, dass Leute meinen Sohn taggen konnten, den man wie einen Hund niedergeschossen hat."

Die dreiteilige Dokumentation "World White Hate" ist am Dienstag, 8. Juli, 20.15 Uhr, bei ARTE zu sehen und schon vorab in der ARTE-Mediathek.

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