5. Todestag

Tom Petty: Einer für alle

02.10.2022 von SWYRL/Niels Tenhagen

Der überraschende Tod von Tom Petty vor fünf Jahren - er schmerzt noch immer. Was ist geblieben von dem legendären Songwriter, der am 2. Oktober vor fünf Jahren viel zu früh verstarb?

"Free Fallin", "I Won't Back Down" und "Learning to Fly" waren seine größten Hits. Doch wirklich berühmt wurde Tom Petty nicht als Hitlieferant, sondern als Künstler, der sich in erster Linie über seine Alben, seine legendäre Bühnenenergie und seine Geradlinigkeit in die Herzen vieler Millionen Musikfans spielte. Die Nachricht von seinem Tod am 2. Oktober 2017 kam völlig unerwartet über die Musikwelt, der Verlust schmerzt bis heute. Der Rockstar wurde nur 66 Jahre alt, Todesursache: Herzstillstand infolge einer Überdosis Schmerzmittel. Seine Musik lebt weiter, auch dank diverser posthumer Veröffentlichungen. Was sonst ist geblieben?

Tom Pettys Werdegang klingt zunächst wie eine beliebige musikalische Nachkriegsbiografie: Zuerst waren da die Songs im Radio, später kam die Begeisterung für Elvis und dann natürlich die Beatles, mit denen erstmals der Wunsch aufkam, selbst eine Band zu gründen. In greifbare Nähe rückte dieser Traum aber erst dank der Rolling Stones, wie Tom Petty in einem Interview erklärte. Denn wo die "unfassbare Genialität" der Fab Four unerreichbar schien, ermutigten Mick Jagger und Co. den Teenager, selbst eine Karriere als Rockstar anzustreben: "Sie spielten den Blues zwar auf diese rohe, energiegeladene Weise, aber all zu kompliziert war das nicht." Die einfache, ehrliche und direkte Art der Musik sprach den 1950 in Gainesville, Florida, geborenen Künstler damals an. Kein Wunder, sind es doch Qualitäten, die ihn als Songwriter und Persönlichkeit stets auszeichneten. Auch "Hypnotic Eye", das 2014 veröffentlichte 13. und letzte selbst gestaltete Album von Petty und seinen Heartbreakers, lebte von einer gewissen Geradlinigkeit.

Was nicht heißt, dass er auf seinem Karriereweg nicht immer auch neue Richtungen eingeschlagen hätte. Petty war zunächst der ungestüme Rock'n'Roll-Poet (mit Hits wie "Anything That's Rock'n'Roll" und "American Girl"), wurde aber bald dank seiner romantischen, von Freiheitsliebe und der Jagd nach dem "American Dream" getriebenen Songs zum Synonym für den sogenannten "Heartland Rock". Zeitweise mutierte er sogar zum MTV-Popstar: Sein parodistischer "Alice im Wunderland"-Clip zu "Don't Come Around Here No More" gewann 1985 einen "Video Music Award", Johnny Depp spielte die Hauptrolle im Video zu "Into The Great Wide Open".

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Keine Exzesse, keine Eskapaden

Tom Petty gewann die Anerkennung vieler Kollegen, war Teil der illustren Supergroup Traveling Wilburys (an der Seite von George Harrison, Roy Orbison, Bob Dylan und Jeff Lynne). Und natürlich schrieb er unvergängliche Hits wie "Free Fallin'", "Learning To Fly" und "I Won't Back Down". Letzteres könnte auch als Motto über seiner Karriere stehen: nicht zurückweichen, sich nicht unterkriegen lassen. Wer große Ziele hat im Leben und sich bei der Verwirklichung treu bleiben will, der kann sich auch heute noch Tom Petty zum Vorbild nehmen - nicht nur als Musiker.

Bei aller Popularität - bis zu seinem Tod verkaufte Petty schätzungsweise 80 Millionen Platten - ließ er sich nie zu Rock'n'Roll-Exzessen oder persönlichen Eskapaden hinreißen. Er war seit 2001 zum zweiten Mal verheiratet, hatte zwei Kinder aus erster Ehe und stand wohl nur einmal nicht wegen seiner Musik in den Schlagzeilen: 1987 wurde er Opfer einer Brandstiftung, bei der sein Haus in Kalifornien zerstört wurde. Auch künstlerisch verstiegene Experimente waren ihm fremd: Tom Petty und seine Musik blieben stets geerdet und das Produkt einer musikalischen Sozialisation, die er mit Millionen Amerikanern teilte.

Wobei: Nur wenige seiner Zeitgenossen können wohl von sich behaupten, Elvis jemals persönlich getroffen zu haben. Sein Onkel arbeitete 1961 am Set von dessen Film "Follow That Dream" und nahm den damals elfjährigen Tom mit: "Er begrüßte mich mit einer Art Grunzen", erinnerte sich Petty in einem "Esquire"-Artikel - aber auch daran, von seiner Erscheinung beeindruckt gewesen zu sein: "In gewisser Weise wirkte er nicht real, er schien förmlich zu glühen." Pettys Leidenschaft für Musik war auf jeden Fall geweckt und wurde von einer weiteren berühmten Persönlichkeit geformt. Einer seiner ersten Gitarrenlehrer war Don Felder, der Mitte der 70er-Jahre Teil der Eagles wurde. Wesentlich prägender für Pettys musikalische Entwicklung war - wie eingangs erwähnt - jedoch die Begegnung mit den Songs der Stones: "Sie waren meine Punk-Musik."

Ein Vergleich, der nur auf den ersten Blick hinkt. Denn für den Teenager Petty hatten Jagger und Co. tatsächlich eine ähnliche Wirkung wie die Punk-Bewegung für spätere Generationen. Schließlich transportierten beide die einfache Botschaft: Jeder kann Musik machen, einfache Akkorde spielen, Songs schreiben. Im Falle von Tom Petty lassen sich sogar noch mehr Querverbindungen spinnen. Schließlich traten der junge Rock'n'Roller und seine Band, die Heartbreakers, mit ihrem Debüt 1976 fast zeitgleich mit den ersten Punk-Bands erstmals in Erscheinung. Zudem war die Schlagrichtung durchaus ähnlich: Auch Petty wollte sich bewusst von den durch riesige Plattenfirmen-Budgets aufgeblasenen Bombast-Rockbands jener Zeit abgrenzen.

Einfach, ehrlich und direkt

Seiner kritischen Haltung gegenüber der sprichwörtlich wie eine "Industrie" agierenden Musikbranche, die kommerziellen Erfolg über künstlerischen Anspruch stellt, blieb Petty immer treu. Er kämpfte offensiv um seine Rechte. Als 1979 sein Label Shelter Records Teil des Giganten MCA werden sollte, wollte Petty seinen (Knebel-)Vertrag neu aushandeln, um nicht "wie ein Stück Fleisch verkauft zu werden". Dort weigerte man sich, was den Musiker dazu veranlasste, sich selbst für bankrott zu erklären, um der Vereinbarung zu entkommen. Das Label seinerseits drohte zeitweilig mit der Beschlagnahmung der Masterbänder. Doch Petty setzte sich durch und bekam einen neuen Vertrag zu besseren Konditionen. Ähnliches gelang ihm auch 1981, als MCA von seiner Popularität profitieren und "Hard Promises" aufgrund des zu erwartenden Erfolgs teurer als damals üblich verkaufen wollte. Das Album kam schließlich zum regulären Preis (damals 8,98 Dollar) in den Handel.

Musik sollte für alle bezahlbar bleiben, erklärte Petty damals seine Motivation für den Streit. Nicht immer jedoch stieß er mit seinen Meinungen auf Gegenliebe beim Publikum: Er beklagte sich darüber, dass Rockmusik nicht mehr "echt" genug sei, dass etwa Hair-Metal-Bands so vorhersehbar wie "professionelles Wrestling" seien. Er zog sich die Wut der Country-Szene zu, als er behauptete, dass die meisten der Nashville-Acts nur "schlechte Rockbands mit Geige" wären. Seine immerwährende Kritik an der Eintönigkeit der Radiolandschaft und den schlechten Sitten der Musikindustrie, die in "The Last DJ", einer Art musikalischem Pamphlet, 2002 gipfelte, kam selbst bei seinen Fans nicht gut an. Wer seinen Business-kritischen Geist weitertragen möchte, kann heute vielleicht über die posthumen Tom-Petty-Veröffentlichungen ("An American Treasure", "The Best Of Everything") oder auch das Reissue seines "Wildflowers"-Albums meckern - er selbst hätte das womöglich auch getan. Aber wie auch immer man zu seinen Ansichten stand: Petty sagte stets, was er dachte und war dabei nie oberflächlich.

"Er hat die Fähigkeit, Gefühle und Gedanken anzusprechen, die so tief in den Menschen drin sind, dass normalerweise kein Außenstehender rankommt", schwärmte Peter Bogdanovich, der Pettys Karriere in der wunderbaren Vier-Stunden-Doku "Runnin' Down A Dream" (2006) Revue passieren ließ. Für viele Menschen sei sein Werdegang "nachvollziehbar", so der Regisseur, vor allem drückten seine Songs aber "das Lebensgefühl einer ganzen Generation aus". Vielleicht auch, weil sie sind wie Tom Petty war: einfach, ehrlich und direkt.

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