"Hart aber fair" mit Frank Plasberg

"Wir können Empathie nicht erzwingen": Überraschende Töne von Ukraine-Botschafter Melnyk bei "Hart aber fair"

06.09.2022 von SWYRL

"Hart aber fair" mit dem noch amtierenden Ukraine-Botschafter Andrij Melnyk: Es kam bei Frank Plasberg alles, wie erwartet. Melnyk wiederholte seine Forderungen - doch am Ende schlug er auch überraschend versöhnliche Töne an.

Gastgeber Frank Plasberg sprach zu Beginn seiner jüngsten "Hart aber fair"-Sendung von einem "Wettrennen mit ungewissem Ausgang": Während der Gaspreis durch die Decke schießt, versucht die Bundesregierung mit Maßnahmenpaketen die Folgen für die Bevölkerung abzumildern. "Der Winter naht, der Krieg wirkt fern: Was ist uns die Freiheit der Ukraine wert?", war der Talk überschrieben.

Auch wenn es das wohl gar nicht gebraucht hätte, ließ es sich Plasberg nicht nehmen, die angespannte Stimmung angesichts des schwerwiegenden Themas mit einem kleinen Einspieler noch weiter auf die Spitze zu treiben. "Aus dem Umfeld des Kreml" sei der derzeitige Liefer-Stopp durch Putins Pipeline mit den Worten kommentiert worden: "Wir haben Zeit, wir können warten. Es wird ein schwieriger Winter für die Europäer." Dass die Russen als Grund ein "Ölleck an einer Kompressorstation" angaben, lässt natürlich nicht nur Plasberg den Kopf schütteln: "Da hätte Gazprom genauso sagen können: Ein Hund hat die Bedienungsanleitung gefressen", frotzelte der Talkshow-Gastgeber. Die Runde, unter anderem mit Andrij Melnyk, dem Botschafter der Ukraine in Deutschland, besetzt, sparte in der Folge nicht mit scharfen Kommentaren.

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"Wir haben diesen Kampfwillen"

"taz"-Journalistin Anna Lehmann warnte: "Im Osten ist die Stimmung bereits gekippt" und zeigte sich überzeugt, dass die Solidarität mit der Ukraine "in dem Maße schmelzen" werde, "wie hoch der Preis ist, den wir dafür zahlen müssen". Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, der noch bis Mitte Oktober im Amt sein wird, gab sich davon wenig beeindruckt gewohnt polarisierend. Ob Deutschland weiterhin an der Unterstützung für die Ukraine und an den Sanktionen gegen Russland festhalten solle? - "Es ist eine moralische Frage", meinte Malnyk. Er könne es nicht verstehen, dass man "den Eindruck bekommen" könnte, "dass die Deutschen schon morgen sagen könnten, dass ihnen das Schicksal der Ukraine egal sei", erklärte Melnyk. Er rechnete vor, dass die Bundesregierung in der Lage sei, ein Entlastungspaket über 65 Milliarden zu schnüren, während der Ukraine nur mit einem Hundertstel der Summe geholfen werde. "Die Balten und Polen helfen zehnmal mehr als Deutschland und die USA sowieso", schimpfte der Botschafter.

FDP-Vize Alexander Graf Lambsdorff, Sabine Fischer, Expertin für russische Außen- und Sicherheitspolitik und Journalistin Anna Lehmann waren sich im Grundsatz weitgehend einig, dass Deutschland die Ukraine weiterhin unterstützen müsse. Auch Ralf Stegner (SPD) widersprach dem nicht. Doch der Parteilinke war der einzige in der "Hart aber fair"-Runde, der sich nachdrücklich dafür aussprach, an Verhandlungsoptionen festzuhalten.

Wie Melnyk zu einer solchen Haltung steht, wurde dann erwartungsgemäß auch schnell deutlich: "Herr Stegner, gehen Sie doch selbst nach Moskau und reden Sie mit Putin", ätzte er. Und er wurde noch deutlicher: "Wenn die Deutschen morgen entscheiden würden, wir sollen das alleine schaffen, dann werden wir das alleine tun." Sein Land werde überleben, so der Botschafter. "Wir haben diesen Kampfwillen", tönte Melnyk. Deutschland hingegen müsse sich auch fragen, wo man später "in der Geschichte, "in den Geschichtsbüchern" stehen wolle.

"Dieser Krieg wird wahrscheinlich noch lange dauern"

Doch ganz so leicht kam auch ein Andrij Melnyk nicht aus diesem Talk. Moderator Frank Plasberg las aus einem Brief vor, den ein deutscher Handwerkerverband an Olaf Scholz gerichtet hatte - mit der Aufforderung, sich aus den Sanktionen gegen Russland zurückzuziehen. "Die verstehen es nicht", lautete Melnyks Kommentar, was wiederum Stegner herausforderte. Auch Deutsche hätten Existenzängste, betonte er. Lehmann pflichtete ihm bei: "Solidarität ist ein Gefühl, das von Herzen kommt", das könne man nicht einfach so einfordern.

Tatsächlich wurde Melnyks Ton gegen Ende der Sendung weniger drastisch. Sein Stil sei "auch zu Hause nicht immer verstanden" worden. "Es war ein Lauf auf dünnem Eis" - aber man müsse manchmal laut werden, um verstanden zu werden, erklärte er sich. Doch er wisse auch: "Wir können diese Empathie nicht erzwingen." Melnyk weiter: "Wir können nur darauf hoffen, dass die Menschen uns verstehen." Den Ukrainern seien "die Sorgen der Menschen hier in diesem Land auch wichtig. Denn dieser Krieg wird wahrscheinlich noch lange dauern." Auch wenn dies nicht das sei, "was wir wollen", so der Botschafter.

Dass dies unbedingt auch für das Stimmungsbild in Deutschland gilt, wurde dann deutlich, als Brigitte Büscher die gesammelten Zuschauermeinungen zum Besten gab. Es wurde überdeutlich, wie groß die Existenzsorgen der Bürgerinnen und Bürger sind. Er "verstehe, dass viele Menschen sich Sorgen machen: Wie kriegen wir unsere vier Wände geheizt?", sagte Graf Lambsdorff bei "Hart aber fair": "Aber wir müssen sehen, dass in der Ukraine sich viele Menschen fragen: Was für Wände? Denen sind ihre Häuser weggebombt worden!" Am Ende war es ein Talk, der die Diskussion zwar keinen Millimeter weitergebracht hat, aber er hat die scheinbar unüberwindbaren derzeitigen Debattenlinien sehr klar herausgearbeitet.

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