"Anne Will"

Viola Priesemann kritisiert Corona-Diskurs: "Wissen, das da ist, wird nicht genutzt"

26.04.2021 von SWYRL

Zieht die deutsche Politik keine Lehren aus einem Jahr Pandemie? Modelliererin Viola Priesemann prangerte bei "Anne Will" das Ausklammern der Arbeit und ein Stück weit auch die Medien an. Ausgangssperren alleine würden nicht reichen, um Neuinfektionen zu senken.

Die Bundesnotbremse ist in Kraft getreten, um die Corona-Pandemie in Deutschland in den Griff zu bekommen. Ein probates Mittel? Am Sonntag diskutierte unter anderem Modelliererin und Wissenschaftlerin Viola Priesemann bei "Anne Will" diese Frage. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Richterin beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof, sowie die zuvor im Einzelgespräch examinierte Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, zweifelten die Verfassungskonformität der Beschlüsse an. Insbesondere über die nächtlichen Ausgangssperren wurde diskutiert - und Viola Priesemann hatte einiges klarzustellen.

"Wir haben in einigen Ländern in Europa gesehen, dass die mit dem gesamten Paket von Ausgangssperren, Homeoffice und Schulen geschlossen die Fallzahlen auch zügig runtergebracht haben", so die Physikerin. Demnach könne man die Ausgangssperre, welche die Zahl der Neuinfektionen um "ein paar Prozent" reduzieren könne, lediglich als Teil eines großen Pakets betrachten. Insgesamt müssten rund 20 Prozent der Infektionen verhindert werden. "Die meisten Infektionen passieren zu Hause, da werden wir nicht ansetzen können", sagte Priesemann. Arbeitsplätze würden hingegen ausgeklammert, obwohl man wisse, dass sie wie auch offene Schulen zum Infektionsgeschehen beitrügen.

Angesichts der politischen Entscheidungen fragte sich Priesemann, ob es überhaupt in der Absicht der Akteure liege, Fallzahlen nachhaltig herunterbringen: "Ich bin mir gar nicht sicher, ob das wirklich ein Ziel ist." Dabei gäbe es nicht nur das allseits bekannte exponentielle Wachstum, sondern auch einen exponentiellen Rückgang. Mit einem R-Wert von 0,9 würde es einen Monat dauern, die Fallzahlen zu halbieren, mit einem R-Wert 0,7 würde dasselbe in nur einer Woche gelingen. "Halb zu" sei demnach nicht angebracht, sondern strenge Maßnahmen nötig, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter
Mit Anklicken des Anmeldebuttons willige ich ein, dass mir die teleschau GmbH den von mir ausgewählten Newsletter per E-Mail zusenden darf. Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und kann den Newsletter jederzeit kostenlos abbestellen.

Forscherin Priesemann bei "Anne Will": "Alles andere ist eben ein Durchwurschteln"

Grundsätzlich fehle Priesemann ein einheitliches Ziel. "Was mir wirklich wichtig ist und immer wieder fehlt im Diskurs, ist, dass das Wissen, das da ist, auch genutzt wird." So merkte sie an, dass es auch in renommierten Zeitungen - den Wissenschaftsteil nahm sie explizit aus - immer noch Artikel gäbe, welche sich auf Argumentationen stützen würden, die sich auf Informationen aus dem letzten Frühjahr beriefen. In der Öffentlichkeit sei beispielsweise nicht angekommen, dass die Dunkelziffer der Corona-Fälle extrem gesunken sei. "Wir haben mit der Inzidenz eine relativ gute Abschätzung dessen, was in Deutschland vor sich geht."

Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel wandte ein, dass die Politik nicht lediglich auf die Epidemiologen hören könne, sondern mehr als ein Ziel erreichen müsse. Viola Priesemann hielt dagegen, sie habe das Thema mit anderen Wissenschaftsbereichen und aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. "Die niedrigen Inzidenzen haben in allen Bereichen Vorteile, und alles andere ist eben ein Durchwurschteln."

Das könnte dir auch gefallen


Trending auf SWYRL