Mutter kündigt - Do. 22.07. - ZDF: 20.15 Uhr

Love is alive

18.07.2021 von SWYRL/Wilfried Geldner

Carla schmeißt hin. Und was sie hinschmeißt, ist nicht wenig: 250.000 für jedes ihrer drei längst erwachsenen Kinder. Carla mag nicht mehr die Plichtschuldige für die Kinder sein. Maren Kroymann spielt die Hauptrolle in der amüsanten ZDF-Familienkomödie "Mutter kündigt".

Carlas Wutrede könnte jedem Trapattoni ("Ich habe fertig!") zur Ehre gereichen. "Alles hinsetzen!" gebietet sie ihren drei aus der Ferne geladenen Kindern, die gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Ist die Mutter krank, wird sie bald sterben? Carla hat das Haus des verstorbenen Familienpatrons verkauft, ohne die lieben Kinderlein zu fragen. "Sie hat mir meine Jugend unter dem Hintern weggezogen", wird später Doro, die ältere Tochter sagen. Die ZDF-Komödie "Mutter kündigt" (Regie: Rainer Kaufmann, "Stadtgespräch") ist vor allem ein großes Solo für Maren Kroymann, eine Emanzipationskomödie zwischen Lebensbeichte, Rock 'n Roll und Gender-Tiefsinn.

"Man kann aus der Kirche austreten oder sich das Leben nehmen. Warum nicht als Mutter kündigen?" behauptet sie im Film und fordert ihre Nachkommen auf, nach ihrem Aufkündigungsvertrag binnen 24 Stunden das ohnehin verkaufte Haus zu verlassen. Der Beweis dessen, dass sich Carla durchaus im Recht befindet, wird per Rückblende nachgeliefert: Beim Geburtstagsfeiern greifen die Kinder nicht nur mit ihren fantasielosen Geschenken maßlos daneben, sondern sie behandeln die Mutter wie eh und je, als wäre sie gar nicht im Raum. Doro (Jördis Triebel), Rita (Ulrike C. Tscharre) und Phillipp (Stefan Konarske) spielen Monopoly, ohne die Mutter zu beachten.

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Ein Ex-Mann, der Albträume macht

Schlimmer noch sind allerdings die Albträume, die ihr der inzwischen verflossene Ex-Mann macht. Paul (Ulrich Tukur "als Gast") war Intendant am örtlichen Theater und berühmt darüber hinaus. Ihm flogen die Frauenherzen zu, insbesondere die der abhängigen Damen. Phillipp, aus dem Stefan Konarske eine rührselige Psychopathennummer macht, hatte den Hass auf den Intendantenvater gelenkt, den Carla nie auszusprechen wagte. Andererseits versteckt er seine Freundin vor der Familie im Hotel, immerhin seine "beste Brokerin" - sie soll ihm helfen, an der Wallstreet kurz vor Torschluss noch ein paar Hedgefonds zu ordern.

Dass Tochter Doro, eine Yogalehrerin, noch immer Hanna, ihre Frau (Britta Hammelstein), nicht der Familie vorgestellt hat, gerät im Stück zum Dauerthema. Ihre Tochter Joe (Lena Urzendowsky), mithin Carlas Enkelin, ist der Schatz der Familie und bildet mit Carla zeitweilig eine eingeschworene Gemeinschaft. Manches wiederholt sich. Nicht nur, dass die Intendantenfamilie mit kunstvollen Hunde-, Gockel- und Katzenmasken immer wieder mal zum Karneval der Tiere bittet - es wird auch vielfach gesungen in diesem Fernseh-Theaterstück. Kanon im Familienkreis, im Duett von Carla und ihrem Liebhaber Rudi (Rainer Bock) in einem leeren Nachtcabaret.

Rudi ist nicht nur Carlas Hausanwalt, der den "Auflösungsvertrag" formulierte, sondern auch Varieté-Transvestit. Er hält eine der nicht wenigen Reden, in denen es um Anderssein und Gleichgeschlechtlichkeit geht. Ja - er habe mal mit Carla geschlafen, und es sei vielleicht nicht sicher, ob Carlas Tochter Rita eine Frucht dieser Liebe oder doch Pauls Tochter sei.

Jules und Jim

Unvermittelt wird hier das Mutterdrama zur Jules-und-Jim-Dreiecksgeschichte: Paul und Rudi liebten beide einst Carla, weshalb Rudi, der bei den Kindern immer als schwuler Hausfreund galt, von einer "ganz innigen, tiefen Verbindung" mit Carla spricht. Gelegenheit für Rudi, noch einmal die Sache mit dem leider üblichen "Schwarzweiß" und allerlei Klischees zwischen den Geschlechtern zu erläutern. Rudis Wort zum Sonntag unter vier Augen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute, all die schwul-lesbischen Familienmitglieder, die mit dieser Chaos-Komödie mitten hinein in die derzeit grassierende Queer-Diskussion geraten sind.

Insgesamt fehlt es dieser etwas anderen Familienkomödie an Leichtigkeit. Zu viele Sonntagspredigten und Selbstreflexionen sind ins Drehbuch von Freya Stewart und Gabriela Sperl (hier auch Produzentin) eingegangen. Sie drücken auf die Spaßbremse, weshalb der Funke nicht so recht überspringen will. Am Ende will die Yoga-Tochter Doro das verkaufte Elternhaus wegen ihrer "unterm Hintern weggezogenen" Jugend in Brand setzen. Mutter Carla und ihr Rudi besingen indessen nochmal ihr Glück: "Love is alive, and so we begin" schmettern die nach 90 Minuten endlich vom Familienanhang Befreiten.

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