Wendland: Stiller und die Geister der Vergangenheit - Sa. 08.10. - ZDF: 20.15 Uhr

Ulrich Noethen als literarischer Fahrradfahrer

04.10.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Das ZDF lanciert eine neue Krimireihe mit Ulrich Noethen als Kommissar im titelgebenden Wendland. Zum Auftakt muss Noethens Figur Jakob Stiller als städtischer Neuankömmling erst mal seinen Platz in der ländlichen Gemeinschaft - und ihren Geheimnissen - finden.

Auf der deutschen Landkarte wird es langsam eng, wenn man nach Orten sucht, in denen noch keine Krimireihe spielt. Immer ein guter Tipp, wenn es um unentdeckte Landstriche geht, ist das niedersächsische Wendland. Es erstreckt sich zwischen Lüneburg und Uelzen im Westen sowie der Elbe im Osten. "Niedersachsens wilder Osten" lautet auch einer der regionalen Slogans und der ist durchaus doppelbödig gemeint: Zum einen ist die dünn besiedelte Landschaft reich an Natur, zum anderen tragen hier viele stolz das Selbstbewusstsein eines "gallischen Dorfes" vor sich her, welches sich auf die Zeiten des Widerstands gegen das einst geplante Atommülllager in Gorleben bezieht. 1977 stellte der damalige Ministerpräsident Ernst Albrecht diese Pläne vor - und der Protest von Anwohnern und ihrer Sympathisanten aus Umweltschutzgruppen in ganz Deutschland ließ nicht lange auf sich warten. Erst 2021 wurden die Gorleben-Pläne ad acta gelegt - nach 34 Jahren bewegter Geschichte.

Mit dieser Historie spielt selbstredend auch der erste Krimi einer geplanten neuen ZDF-Krimireihe "Wendland", in der Ulrich Noethen den Hamburger Ermittler Jakob Stiller gibt. Ein die Gerechtigkeit liebender Feingeist, der sich nach einem missglückten Einsatz mit Todesfolge vor einigen Jahren in die Asservatenkammer seines Reviers zurückgezogen und in seiner Freizeit einen Kriminalroman verfasst hat, der die pikanten Ereignisse dieses Einsatzes nur leicht kaschiert verarbeitet - und der deshalb von Kollegen - und seiner Tochter, die mittlerweile auch eine Vorgesetzte ist - ins Wendland entsorgt wird. Kaum dort angekommen, liegt der Leichnam eines Mannes Anfang 60 im Grünen, der lange in der Gegend gelebt hat. Und nein, es war kein Selbstmord. Das Opfer, das mit seiner Frau einen Biohof betrieb, wurde erschossen.

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Sauber im Präteritum abgewickelte Back-Stories

Gemeinsam mit seinem Vorgänger als Dienststellenleiter (Dominic Raacke), der sich noch wenige Übergangstage im Amt befindet, und seinen Mitarbeitern in spe (Paula Kalenberg, Malte Thomsen) macht sich der sensible Chef und passionierte Fahrradfahrer an die Arbeit. Bald dringen die Ermittelnden in die Geschichte eines Falles ein, der mit der politischen Vergangenheit von Niedersachsens wildem Osten ebenso zu tun hat wie mit den Lebenslinien einiger von Jakob Stillers neuen Mitbürgern, die der neue Polizeichef des fiktiven Ortes Dahlow - gedreht wurde unter anderem in Hitzacker an der Elbe - nun nach und nach kennenlernt. Weil Jakob Stiller mit Muse untewegs ist und sich bei an die Mauer gelehntem Rad auch mal eine Minigolfpartie mit einem befragten Zeugen gönnt, verdient sich der Polizist aus der Großstadt die Verwunderung, aber auch den Respekt der Wendländer. So kann es weitergehen, oder?

Die Figur des wie immer gut spielenden Ulrich Noethen ist in seiner träumerischen, eigenbrötlerischen Menschenliebe gar nicht so verkehrt. Man schaut dem Mann und seinen Wendländer Begegnungen gerne zu - wären da nicht allzu viele Vergangenheits-Erklärungen des Drehbuchs, die über sauber im Präteritum abgewickelte Back-Storys im Erklärbär-Modus informieren. Da wäre manchmal weniger Text schön gewesen. Geschrieben und inszeniert hat den Krimi Josef Rusnak, der auch die letzten beiden "Neben der Spur"-Thriller mit Ulrich Noethen realisierte.

Der Fall ist nicht ohne Ambiton gebaut, aber am Ende vielleicht doch ein wenig zu konstruiert - wenn auch gute Darsteller wie Noethen, Dominic Raacke, Günter-Grass-Tochter Helene Grass (als Tierärztin, Vermieterin und "Love Intererest") oder Ruth Reinecke als demente Zeugin versuchen, die Geschichte irgendwie glaubhaft zu machen. Eines aber dürfte klar sein: "Wendland" ist altes Krimifernsehen, das mit ebenso viel Ruhe, Bedacht und Landschaftsliebe erzählt, wie es der klassischen Wendländer und ein vorzugsweise älteres ZDF-Publikum in der Samstagabend-Primetime wohl zu schätzen wissen.

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