RTLZWEI-Doku "Prominent und Pflegekraft"

"Ziehe Frauen lieber aus als an": Reality-Proll hadert in TV-Doku als Pflege-Praktikant

23.03.2022 von SWYRL/Rupert Sommer

In der neuen Dokusoap prallen Welten aufeinander - der überdrehte, selbstverliebte und banale Glamour-Kosmos von Trash-Shows wie "Temptation Island", "Big Brother" oder "Love Island" mit dem harten, oft trostlosen Pflegeheim-Alltag. Eine Begegnung wie ein Frontal-Crash - und ein heilsamer Schock.

Er ist der Inbegriff eines Womanizers. Gutaussehend, durchtrainiert, strahlend lächelnd - und extrem oberflächlich. Im seichten Gewässer von Reality-Trash-Shows wie "Temptation Island" oder "Promis unter Palmen" hat sich der TV-Star und Rapper Calvin Kleinen einen Ruf als unverbesserlicher Frauenheld gemacht. Immer einen flotten Spruch auf den Lippen, gerne einen Drink in der Hand - und generell den schönen Dingen im Leben höchst aufgeschlossen gegenüber. Der 30-jährige Muskelmann ist dabei ein Super-Macho. Junge Frauen liebt er ganz besonders, wenn sie mit ihm nicht nur in die Kiste springen, sondern am besten dann auch noch für ihn kochen.

Wie sich in der neuen RTLzwei-Dokusoap schnell zeigt: Calvin ist ein junger Mann voller Widersprüche. Sein Lebensziel: "Wenn ich alt bin, will ich wie Hugh Hefner in der Villa leben - so mit Bunnys", träumt er vom Luxus-Life des "Playboy"-Gründers. Und auch Hefner war ein Mann mit einem - vorsichtig ausgedrückt - höchst problematischen Frauenbild. Dabei müsste Calvin nämlich in der Realität viel vorsichtiger, dankbarer sein. Bis zur "Playboy"-Villa ist für ihn noch ein weiter Weg: Vorerst lebt der gebürtige Aachener, der gerne Weltmann wäre, noch bei seiner Mutter.

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Kampf mit den Kompressionsstrümpfen

Dass auch die für ihn kocht sowie seine Wäsche macht, darf man schwer annehmen. Schnell merkt man nämlich: Großmaul Calvin hat vermutlich tatsächlich noch nie selbst ein Bett bezogen. Geschweige denn pflegebedürftigen Seniorinnen Kompressionsstrümpfe übergestreift oder Frauen weit jenseits seines Beuteschemas bei der Morgenwäsche geholfen. Als er für RTLZWEI in aller Früh um 5 Uhr aufstehen und zur ersten Frühschicht als Praktikant im Pflegeheim von Schwabach bei Nürnberg "einrückt", dämmert es ihm schnell: Das wird kein Traumjob. Und schon gar kein Party-Einsatz!

"Urinflasche ausleeren", lautet der erste Tagesbefehl, mit dem sich Calvin Kleinen, der "Promi" aus dem neuen TV-Berufs- und Lebenswelten-Tauschformat "Prominent und Pflegekraft", konfrontiert sieht. Profi-Pflegerin Bianca, die sich um die Aushilfe aus der Glitzer-Showbiz-Welt kümmern lässt, pflegt klare Kommando-Ansagen. Und das Gähnen sowie die schlechte Eigenschaft, sich auf jedem herumstehenden Polstersessel gleich mal für ein Mini-Nickerchen ausruhen zu wollen, treibt sie dem Praktikanten schnell aus.

"Ich hab' die Luft angehalten",

Stattdessen lernt Calvin, wie man richtig anpackt - und dass man besser keine Zicken macht im Heim. "Ich hab' die Luft angehalten", sagt er stolz, nachdem er Morgen-Urin aus der Bettflasche in die Toilette geschüttet hat. An Gerüche muss er sich gewöhnen. Und auch mit den Strümpfen muss Calvin kämpfen, bekommt den etwas anderen "Senioren-Striptease" dann doch ganz gut hin. Einen Aufreißer-Spruch kann er sich dann aber doch nicht verkneifen. "Ich ziehe Frauen lieber aus als an", sagt er. Er ist ja noch jung.

Es ist ein harter Reality-Check, mit dem sich auch Melissa Damilia, ein "Promi"-Sternchen aus Sendungen wie "Love Island" und "Die Bachelorette", konfrontiert sieht. Wie Calvin hat sie sich eine kurze Schnupperphase im taffen Alltag eines Senioren-Pflegeheims eingelassen. Und der "Schnupper"-Aspekt gehört auch für sie selbstverständlich dazu. Altersheime sind kein Ort für Duft-Fetischisten. Selbst wenn sie - wie Melissa das macht - mit einem Strauß roter Rosen als Begrüßungsgeschenk zum Dienst antritt.

Auch die Influencerin mit den rund 55.000 Followern auf Instagram fällt erst mal aus allen Wolken. "Ehrlich gesagt, habe ich mich noch nie mit dem Thema Älterwerden beschäftigt." Willkommen in der "Casa Vital" in Feuchtwangen! Dort muss Melissa malochen. Aber hallo!

Atemlos durch den Alltag: Pflegnotstand in Deutschland!

Und wie bei Calvin läuft ständig die Uhr. In Deutschland herrscht Pflege-Notstand. Rund 20.000 Planstellen bei den dringend benötigten Pflegekräften, die oft weitgehend im Verborgenen täglich Knochenarbeit leisten, sind unbesetzt. Im Schnitt muss eine Fachkraft 20 Pflegebedürftige betreuen. Viel Zeit für Trödelei beim Gesäß-Abputzen oder beim Eincremen schmerzender Beine bleibt da jeweils nicht. Und für ein freundliches Wort oder einen netten Plausch meist gar keine.

Melissa will das ändern. Sie nimmt sich Zeit. Und sie kommt bei "ihren" Senioren gut an. "Eine gute Pflegerin", wird die Kurzzeit-Praktikantin gelobt. Und die 98-jährige Maria schließt die junge Fernsehfrau schnell in ihr Herz. "Sie ist wie meine Oma", freut sich Melissa. Mit Maria lässt sie sich besonders viel Zeit. Sie gönnt der immer noch quicklebendigen, aber wie so viele Heimbewohnerinnen einsamen Frau sogar eine besondere Aufmerksamkeit: Zusammen mit Maria besucht Melissa ein Wellness-Bad - für eine generationenübergreifenden "Spa-Day". Da treffen Welten aufeinander. Aber egal: Maria erlebt einen glücklichen Tag!

"Big Brother"-Moderatorin Aleks Bechtel? Kennen wir nicht!

Weitaus mehr als Praktikantinnen-Dienst nach Vorschrift macht schließlich auch die dritte "Promi"-Teilnehmerin der ersten Versuchsanordnung der zweiteilen Doku (Folge 2 läuft am Dienstag in einer Woche bei RTLZWEI). Aleksandra Bechtel, in den 90er-Jahren bekannt geworden als junges Gesicht beim Musiksender Viva, später unter anderem als Moderatorin von "Big Brother"-Staffeln, hat sich auf die Kurzzeit-Ausbildung im Pflege-Sektor eingelassen.

Die heutige Promi-Talkerin nimmt den Job zunächst professionell als eine Art Recherche-Einsatz wahr. Spannende Geschichten will sich Bechtel von den Senioren aus der Residenz "Carpe Diem" aus Voerde erzählen lassen. Dumm nur: Vor Ort scheint sie niemand zu kennen. Fernsehen, vor allem Trash-TV, spielt für die deutlich ältere Generation keine allzu große Rolle.

Aber nicht wegen dieses Kulturschocks gerät Aleks Bechtel - wie ihre beiden jüngeren Kollegen in Feuchtwangen und in Franken - rasch an ihre Grenzen. Vor allem die Isoliertheit vieler Heimbewohnerinnen und Heimbewohner treibt der Fernsehfrau aus der Welt des Rampenlichts die Tränen in die Augen. Und natürlich hat auch sie den zupackenden Dienst im Nah- und Intimbereich unterschätzt. "Es war schon interessant zu sehen, wie das Gebiss im Mund verschwand", staunt Bechtel.

Durchbrennen mit dem Camping-Mobil

Wichtiger aber: Sie kommt selbst ins Grübeln. Darüber, wie es in den Heimen zugeht. Wie die aufopfernde, harte Arbeit des engagierten Personals sträflich oft geringgeschätzt wird. Und was es ganz persönlich einmal für sie bedeuten würde, wichtige Entscheidungen über ihre letzte Lebensphase zu treffen. Tief beeindruckt hat Aleksandra Bechtel eine alte Frau, die ihr erzählt, sie sei einst freiwillig ins "Carpe Diem"-Heim gezogen. Sie wollte ihren Kindern nicht zur Last fallen. "Das hat mir zu denken gegeben", sagt Bechtel. "Ich hab' ja auch Kinder."

Umso wichtiger ist es für sie, einem ihrer "Favoriten" eine große Freude zu machen: Für ihren Bonus-Tag leiht sie ein Camping-Mobil aus und fährt den Witwer Günther auf einen Caravan-Stellplatz ans Strandbad von Voerde. "Kommen Sie mit", sagt sie und hupt freudig. "Wir brennen durch." Günther strahlt, macht die 48-Jährige aber auch sehr traurig. Der 84-Jährige genießt seinen Ausflugstag. Er weiß aber auch: Ans Strandbad wird er nie wieder kommen. Und vermutlich kehrt auch Aleksandra Bechtel nicht mehr zurück.

Tatsächlich macht auch das die Ehrlichkeit der Sendung aus. Obwohl es anfangs danach aussehen könnte, ist "Prominent und Pflegekraft" keine reißerisches Effekt-Format. Alle drei beteiligte Promis lernen ihre Lektion. Und sie werden zum Schluss ganz ruhig, sogar kleinlaut und fast demütig. Pflege-Arbeit ist ein harter Beruf. Und er verdient viel Respekt. Doch ganz einfache Lösungen gibt es nicht. Obwohl es Fernsehen ist, bleibt für ein Kitsch-Happyend kein Platz. Und auch keine Zeit.

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