"The Gray Man"

Teuerster Netflix-Film aller Zeiten: "The Gray Man" mutiert zum Möchtegern-James-Bond

19.07.2022 von SWYRL/Julian Weinberger

Gestatten, Gentry, Court Gentry: Netflix lässt in seinem bis dato teuersten Film "The Gray Man" Ryan Gosling um die halbe Welt jagen - stets verfolgt von unbarmherzigen Killermaschinen. Irgendwo in den zerstörerischen Actionorgien geht auch die Handlung verschütt.

Fans von Spionage- und Geheimdienstfilmen dürften sich den 5. Oktober rot im Kalender markiert haben. Immerhin feiert an diesem Tag der wohl bekannteste Kinoheld der Welt Geburtstag: James Bond - respektive die nach ihm benannte Filmreihe - wird 60! Seitdem der Geheimagent in "James Bond jagt Dr. No" sein Leben erstmals in die Waagschale für die britische Krone warf, folgten 24 weitere Filme mit sechs unterschiedlichen Darstellern. 007 avancierte zum Kult, und vielfach versuchten Regisseure, sich im Fahrwasser der globalen Marke zu profilieren und das Bond'sche Erfolgselixir für neue Action-Highlights zu nutzen. Womit der Bogen zur jüngsten Netflix-Prestigeproduktion "The Gray Man" geschlagen wäre. Ab 22. Juli startet das 200 Millionen Dollar teure Feuerwerk über den von der ganzen Welt gejagten CIA-Agent Court Gentry beim Streamingdienst, schon ab 14. Juli gibt es den Film in ausgewählten Kinos zu sehen.

Viel Zeit verschwendet der Streaminggigant in seinem neuen Prestige-Film nicht. Gerade einmal eine knappe halbe Stunde nehmen sich die Marvel-erprobten Blockbuster-Spezialisten Joe und Anthony Russo, um dem zweistündigen Streaming-Actioner so etwas wie eine Hintergrundgeschichte anzudichten. Ein Straftäter namens Gentry (Ryan Gosling) bekommt von dem CIA-Agenten Donald Fitzroy (Billy Bob Thornton) seine Freiheit zurück - selbstverständlich nicht ohne Gegenleistung. Gentry wird zum Elitekämpfer Six für die besonders dreckigen Aufträge ausgebildet - ein Alleingänger, stoisch, schweigsam, eiskalt.

Als ihm bei einer Tötungsmission kompromittierendes Material über seinen geschniegelten, karrieregeilen Chef Denny Carmichael (Regé-Jean Page, "Bridgerton") in die Hände fällt, setzt der den kompromisslosen Ex-Agent Lloyd Hansen (Chris Evans) auf Gentry alias Six an. Der Psychopath mit Faible für besonders schmerzhafte Foltermethoden hetzt seinem Widersacher kurzerhand eine ganze Auftragskiller-Meute auf den Hals. Die Jagd um den ganzen Globus, bei der Gentry nur die taffe Agentin Dani Miranda (Bond-Girl Ana de Armas) zur Seite steht, bekommt - natürlich - auch noch eine private Dimension. Fitzroys Nichte, die auch Gentry sehr am Herzen liegt, wird entführt und als Faustpfand genutzt, um den Flüchtigen ins Netz zu locken.

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Zerstörungswut à la Michael Bay

Wirkliche Bedeutung erlangen die Motive, die Lebensgeschichten oder die Eigenheiten der Figuren aber an keiner Stelle von "The Gray Man". Sämtliche Ansatzpunkte einer Handlung werden ab dem Zeitpunkt plattgewalzt, in dem das gigantomanische Action-Gewummer einsetzt, das den Rest des Netflix-Films prägt. Dann lassen die Russo-Brüder einen Frachtflieger effektvoll in der Luft in alle Einzelteile zerbersten und Ryan Gosling noch im Fallschirmflug mit einem Widersacher kämpfen. Ruhepausen für das Publikum sind in den folgenden eineinhalb Stunden Fehlanzeige. "Vieles passiert sehr schnell", räumt auch Joe Russo ein.

Den Höhepunkt erreicht der atemlose Wechsel zwischen Schießereien, intensiven Nahkämpfen und dem Einsatz von Waffen schwersten Kalibers im tschechischen Prag. Gentry befreit sich aus aussichtsloser Lage, flüchtet in einer Tram und lässt die tschechische Hauptstadt in Schutt und Asche zurück - die Zerstörungswut der Russo-Brüder erinnert in diesen Minuten des Films an Michael Bay. Zehn Tage hat die Arbeit an der Sequenz in Anspruch genommen - "voller Schüsse, Explosionen und Autounfälle", die das Produktionsteam laut Joe Russo den Prager Einheimischen zumuteten.

Startschuss zu einem Film-Franchise?

200 Millionen Dollar soll "The Gray Man" laut US-Medien gekostet haben, neben den sündhaft teuren Actionsequenzen dürfte auch viel Geld für den prominenten Cast draufgegangen sein. Am Drehbuch scheinen die Macher aber gespart zu haben. Vom Witz des vormals teuersten Netflix-Films, "Red Notice", ist im neuesten Streich des Streaminganbieters nichts zu spüren. Ein großes Budget und illustre Namen reichen eben lange nicht zu einem großartigen Spionage-Film - erst recht nicht in James-Bond-Sphären. Gerade 007 erlangte in den Abschlussfilmen der Craig-Ära neben all der Action auch eine Charaktertiefe, von denen "The Gray Man" weit entfernt ist.

Die letzte Begegnung mit Court Gentry wird es indes wohl nicht gewesen sein. Zwar steht eine Film-Fortsetzung von "The Gray Man" noch nicht zur Debatte. Stoff für ein ganzes Franchise ist aber zur Genüge vorhanden: Die Romanreihe von Autor Mark Greaney umfasst insgesamt elf Bücher.

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