Mockumentary "How to Tatort"

"Tatort"-Star, der mieseste Job der Welt

19.11.2020 von SWYRL/Eric Leimann

Bevor im Frühsommer 2021 der erste "Tatort" mit den Bremer Ermittlern Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram und Dar Salim läuft, spielen die drei eine ziemlich fiese "Mockumentary", die das neue Team bei der Vorbereitung auf den Dreh zeigen soll. Will man danach tatsächlich noch "Tatort" schauen?

Das Genre der Mockumentary, also einer gefakten Dokumentation, kennt der filmhistorisch bewanderte Zuschauer seit "This Is Spinal Tap", einem im dokumentarischen Stil gedrehten Film über eine fiktive Heavy-Band. Auch Comedy-Serien wie "Modern Family" oder "Stromberg" sind im Mockumentary-Stil entstanden. Beim "Tatort" betritt man mit "How to Tatort" (ab Freitag, 20. November, ARD-Mediathek) hingegen Neuland.

Die Idee hinter den sechs etwa zehn bis 15 Minuten langen Folgen: Die neuen Bremer Kommissar-Darsteller Jasna Fritzi Bauer, Luise Wolfram und Dar Salim werden bei den fiktiven Vorbereitungen auf ihre Rollen begleitet. Man lernt den Regisseur (Moritz Fürmann) kennen, bekommt Tipps von extra eingeflogenen Kollegen wie Anna Schudt (Martina Bönisch im "Tatort" Dortmund) oder Wolfram Koch (Paul Brix im Frankfurter "Tatort"), echte Polizisten bringen den Neuen den Umgang mit der Waffe bei und ein reichlich ätzender Stuntman (Jochen Horst) schult die Truppe im Stile eines Ledernacken-Thrill-Instructors.

Für Fans des klassischen "Tatort"-Krimis ist die Häppchen-Comedy, die von Machern der Netflix-Serie "How to Sell Drugs Online (Fast)" erdacht wurde, eher nichts. Im Gegenteil, das Mediatheken-Produkt ist eher an einer Entmystifizierung, wenn nicht sogar an der Dekonstruktion des "Tatorts" als cooler Nummer und Edeljob im deutschen Fernsehen interessiert. Anna Schudt darf als genervte Dortmunder Kommissarin über die Kollegen aus Münster herziehen ("14,5 Millionen Zuschauer für die Idioten aus Münster. Für eine müde Story und ein paar lauwarme Gags").

Die Bremer Neu-Ermittler erfahren, dass sie eigentlich nur die Zweibesetzung sind, nachdem Emilia Schüle und Sonja Gerhard abgesagt haben und der dänische Schauspieler Dar Salim, international durch eine kleine Rolle in "Game of Thrones" bekannt, will das "Tatort"-Engagement schnell wieder beenden, weil ihm ein Part in einem "GoT"-Spin Off in Aussicht gestellt wurde.

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Satirischer Anheizer als "lähmender Beinschuss" fürs Original

Überhaupt ist es mit der Solidarität unter Schauspielern und Fernsehmachern nicht weit her. Man zieht in Interviews übereinander her, entpuppt sich als eitel oder versucht die Kollegen mit miesen Tricks gleich ganz aus dem Weg zu räumen. Die "How to Tatort"-Handlung, grob einem Kriminalfall nachenpfunden, entpuppt sich von Folge zu Folge immer mehr als gaga. Dafür gibt es schöne, bissige Momente, die allerdings nur jene erfreuen dürften, die sich von Berufs wegen oder aus einer besonderen Art von Fantum heraus mit den Hintergründen des Film- und Fernsehgeschäfts beschäftigen. Dem renommierten Bühnenschauspieler Wolfram Koch dabei zuzusehen, wie er dem künftigen Bremer Ermittler-Trio eine Method Acting-Stunde mit allen emotionalen Tricks und Verwerfungen des Extrem-Schauspiels zu erteilen versucht, ist ebenso witzig, wie die feine Selbstironie, mit der sich die Schauspieler in "intimen" Interview-Situationen mit sich, ihrer Karriere und dem neuen Bremer Job befassen.

Dabei kommt Dar Salim der Part des eher unbeteiligten Ausländers zu, der immer nur Englisch spricht und einfach nur einen Job wegarbeiten will. Luise Wolfram, deren Rolle bereits als Sidekick im alten Team Lürsen und Stedefreund eingeführt wurde, gibt die "nette" Kollegin mit allerdings berechnenden Hintergedanken, während Jasna Fritzi Bauer das ewige Gör mit genervter Attitüde verkörpert. Das alles ist für deutsche Comedy reichlich böse, spielt sich jedoch etwa ab der Mitte des Formats zusehends müde. Als satirisch ätzende Nabelschau der deutschen Krimi-TV-Branche, die nach "How to Tatort" sehr viel unglamouröser wirkt, als man sie sich selbst mit nüchternen Gedanken vorgestellt hätte, ist das Mediatheken-Werk schon erstaunlich.

Vor allem, weil die fiesen Gag-Miniaturen alles andere als Lust darauf machen, den echten "Tatort" des neuen Bremer Trios zu sehen, mit dem in etwa einem halben Jahr zu rechnen ist. Man kann durchaus sagen, dass die Macher von "How to Tatort" ihrem Mutterschiff, dem Bremer "Tatort", mit ihrem satirischen Anheizer einen lähmenden Beinschuss versetzt haben, der jegliche Leichtigkeit aus kreativen Bewegungen fegt. Andererseits bleibt abzuwarten, wie viele klassische "Tatort"-Fans den satirischen Ableger tatsächlich schauen oder nach wenigen Minuten wegklicken, weil sie sich die Freude auf die "echte" Illusion nicht nehmen lasen wollen.

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