Tatort: Level X - So. 11.08. - ARD: 20.15 Uhr

Von Gurus und Blendern

06.08.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Der "Tatort: Level X" aus Dresden nahm 2017 die Social-Media-Welt aufs Korn. Ein Internet-Held wird live auf seinem eigenen Kanal ermordet. Sieland (Alwara Höfels), Gorniak (Karin Hanczewski) und Schnabel (Martin Brambach) ermitteln. Ist der Online-Krimi sieben Jahre später in der Wiederholung noch "fresh"?

Der 17-jährige Simson (Merlin Rose) ist "Prankster". Er spielt Leuten Streiche, filmt diese und überträgt sie via eigenem Kanal ins Internet. Simsons junge Fangemeinde ist riesig. So sehen Tausende, wie das Internet-Idol vor laufender Drohnen-Kamera stirbt, nachdem er eine Rockerbande geärgert hat. Trotzdem kommt der schwarzlederne Mob nicht als Täter infrage. Die Dresdener Kommissarinnen Sieland (Alwara Höfels) und Gorniak (Karin Hanczewski) recherchieren im "Tatort: Level X" (Erstausstrahlung: Juni 2017) mit ihrem Chef Schnabel (Martin Brambach) in der ihnen kaum vertrauten Welt der Social-Media-Gurus und ihrer Jünger.

"Kann nicht mal jemand dieses verdammte Internet ausschalten", schreit Martin Brambach in seiner Rolle als Kommissariatsleiter mit Old-School-Werten irgendwann den Computer an. Natürlich ist dieser alternde Ost-Macho mit weichem, tragikomischen Kern der Prototyp des Ahnungslosen, wenn es um virtuelle Welten geht. Auch das, was diese Welten mit ihren jungen Wanderern machen, entzieht sich weitgehend der Dresdner Ermittler-Erkenntnis.

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Kommissare mit unvernetztem Weltbild

Die alleinerziehende Kommissarin Gorniak hat immerhin ihren halbwüchsigen Sohn, der ihr hin und wieder ein paar Tipps gibt. Ansonsten begegnet das Kriminalisten-Trio seinem vom 1979 geborenen Autor Richard Kropf erdachten Sujet relativ ahnungslos. Vom arroganten Internet-Impresario Magnus Cord (Daniel Wagner), der junge Social-Media-Stars im Dutzend unter Vertrag hat, hören sich Kommissare und Zuschauer eine öffentliche Nachruf-Predigt an, die man einfach nicht glauben kann. Hat Simson seinen großsüchtigen Förderer von einst vielleicht ein bisschen zu sehr geärgert? Oder kommt ein Konkurrent wie Prankster Scoopy (Wilson Gonzalez Ochsenknecht) als Täter in Betracht? Und wie sieht es mit der hübschen jungen Emilia (Caroline Hartig) aus, die als Fan eine besondere Nähe zu Simson pflegte?

Ähnlich wie die Kommissare mit ihrem unvernetzten Weltbild oft sinnbildlich vor verschlossenen Türen stehen, kommt auch Emilias Mutter (Karina Plachetka), eine Pastorin, nach dem Tod Simsons nicht mehr an ihre Tochter heran. Die Sprache der Geistlichen, die vergebens an die verschlossene Zimmertür der halbwüchsigen Tochter klopft, ist ebenso künstlich wie die übertriebenen Anglizismen des Internet-Gurus Cord. Was könnte das bedeuten? Vielleicht, dass die jungen Massen im Film unter der Regie von Gregor Schnitzler ("Tatort: Der treue Roy") nicht mehr durch Sprache erreichbar sind, sondern lediglich über die Macht des Bildes und seiner Thrill-Momente? Worte waren gestern, heute zählt nur noch das Live-Bild. Dieses verfolgen und kommentieren jugendliche Follower im Film mit aufpoppenden Nachrichten über einem in Stille fotografierten Stadtpanorama, eine schöne Idee der Regie.

Wann endet die "Tatort"-Sommerpause?

Weniger schön ist die Künstlichkeit, mit der Top-Autor Richard Kropf ("4 Blocks") seine Protagonisten hier agieren lässt. Der Guru, schließlich handelt es sich beim "Tatort: Level X" um eine Auftragsarbeit des MDR zur damaligen ARD-Themenwoche "Woran glaubst du?", agiert so künstlich, dass man davon ausgehen muss, selbst Kids mit abgebrochener Hauptschulausbildung müssten diesen schmierigen Nervbolzen in Nullkommanichts als Blender enttarnen. Auch die Pfarrerin in ihrem einer "Eltern"-Ausgabe der 80-er entlehntem Duktus oder die Naivität der Ermittler in manchen Begegnungen mit der Netz-Szene sind nicht wirklich glaubhaft geraten. So bleibt ein durchschnittlicher Sachsen-"Tatort", der sein spannendes Thema leider nicht völlig ausschöpfte.

Die Primetime-Sonntagskrimi-Pause im Ersten dürfte am 1. September vorbei sein. Bis inklusive Sonntag, 25. August, stehen allerdings noch Wiederholungen auf dem "Spielplan" für 20.15 Uhr.

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