27.09.2024 von SWYRL/Eric Leimann
Der Hamburger Filmemacher Lars Becker ("Nachtschicht") lässt in der neuen ZDF-Reihe "Die Polizistin" eine Top-Profilerin des BKA (Thelma Buabeng) vom Stapel. An der deutsch-dänischen Grenze soll sie Morde aufklären. Nicholas Ofczarek gibt den charismatischen Hauptverdächtigen.
Beim Hamburger Autor und Regisseur Lars Becker, der 2003 die Krimireihe "Nachtschicht" ins Leben rief, wurde schon divers geschrieben und besetzt, als es das Wort in seiner die Gesellschaft beschreibenden Verwendung noch gar nicht gab. Schon immer spielten beim mittlerweile 70-jährigen Filmemacher Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen Hauptrollen. In einer (voraussichtlich) neuen Krimireihe mit Fallanalystin Gloria Acheampong (Thelma Buabeng) lässt Becker jetzt in "Die Polizistin und die Sprache des Todes" die zweite schwarze Chefermittlerin des deutschen Fernsehens von der Leine - nach Florence Kasumba im mittlerweile abgesetzten Göttinger "Tatort".
Gloria ist Stanford-Absolventin und hat im BKA eine Blitzkarriere hingelegt. Nun wird die alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohns an die deutsch-dänische Grenze geschickt. Hier wurde eine Frauenleiche entdeckt, die nach demselben Muster zu Tode kam wie schon drei Frauen zuvor. Der Täter, auf den dieses Muster passt (Nicholas Ofczarek), sitzt jedoch in Haft. Er kann es nicht gewesen sein. Ist ein Nachahmer unterwegs? Bei Glorias Ermittlungen unterstützt sie der lokale Polizist Pieper Olsen (Artjom Gilz).
Das jüngste Opfer der Mordserie, wenn es denn eine ist, war eine junge schwarze Frau. Für Gloria hat dies keine Bedeutung, sagt sie, doch einige der Befragten der norddeutschen Gemeinde, wo jede(r) jede(n) kennt, sehen dies anders. Manchmal laufen Glorias Ermittlungen im Drehbuch Beckers bewusst "farbenblind" ab, manchmal wird Glorias Aussehen aber auch thematisiert. Der Film findet hier eine gute Mischung aus Momenten, in denen struktureller Rassismus im Alltag deutlich wird, und einer angenehmen Normalität. Im Mittelpunkt des Plots stehen Fall und Charaktere, nicht deren Aussehen.
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Kein Highlight im Lars Becker-Kosmos
Der Krimi ist als solcher eher mittelprächtig, auch wenn Nicholas Ofczarek mal wieder einen beeindruckenden Bösen gibt, der zudem - und das als Österreicher - ein überzeugendes nordisches Idiom spricht. Kleiner Fun Fact am Rande: Auch die beiden Brüder des inhaftierten Rudi Butscher (Ofczarek) werden von einem Österreicher (Thomas Schubert, "King of Stonks") beziehungsweise einem Berliner gespielt, der hauptsächlich in Österreich und Bayern Theater spielt: Marcel Heupermann ("Als wir träumten"). Mit jenen drei groben Gestalten ist Becker ein echter Besetzungs-Coup inklusive scheinbarer Familienähnlichkeit gelungen. Andere Aspekte des Films sind weniger gelungen: Der Plot ist überkomplex und wirkt ein wenig konstruiert. Die Dialoge stammen oft aus dem Genrelehrbuch. Gerade die Gangster denken meist zu komplex für ihr Mindset, ohne dass an dieser Stelle Humor im Spiel wäre, wie man es aus der "Nachtschicht" kennt.
Beckers neuer Nordkrimi ist ein solides Reihendebüt im ZDF, das eine wichtige gesellschaftliche Botschaft transportiert. Mit Highlights der "Nachtschicht" oder auch der Filmtrilogie "Unter Feinden", "Zum Sterben zu früh" und "Reich oder tot" hat Becker dem deutschen Fernsehen herausragende Krimis und Polizeifilme geschenkt. Das Debüt der "Polizistin" gehört nicht dazu. Was nicht ist, kann aber noch werden.