Tatort: Das Herz der Schlange - So. 23.01. - ARD: 20.15 Uhr

Saarbrücken und die Sehnsucht nach dem Thrill

19.01.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Zum dritten Mal ermittelt das junge Saarbrücker "Tatort"-Team nach einem Drehbuch desselben Autors. Er scheint sich vorgenommen zu haben, aus dem Saarland eine Thriller-Hochburg zu formen. Mit kühnen Ideen rund um den perfekten Mord und wirklich bösen Charakteren.

"Bald werden sich all deine Träume erfüllen." Dass abgedroschene Glückskeks-Botschaften wie diese keinesfalls den Innenwelten von Leo Hölzer (Vladimir Burlakov) und Adam Schürk (Daniel Sträßer) entsprechen - man kann es schon an der skeptisch brutalen Art erahnen, in der die Buddy-Kommissare im "Tatort: Das Herz der Schlange" selbige Glückskekse mit zynischem Lächeln zerbröseln. Mit ihren Kolleginnen Esther Baumann (Brigitte Urhausen) und Pia Heinrich (Ines Marie Westernströer) sind sie zum Abschluss eines Falles "beim Chinesen" eingekehrt. Da dies die erste Szene des Krimis ist, kann man sich aber bereits denken: Lange wird dieses Feierabend-Idyll nicht halten.

Einige Momente später wird Adam durch eine Nachricht seines Vaters beunruhigt. Seiner Mutter ginge es schlecht, er möge sofort kommen. Auch für die übrigen Ermittelnden ist es mit der Muße vorbei. Sie werden zum Mord in einer Villa gerufen. Die junge Bewohnerin liegt brutal erschlagen vorm geöffneten Safe, das üppige Bargeld ist jedoch noch drin. Auch ungewöhnlich: Der mutmaßliche Einbrecher befindet sich schwerverletzt am Boden neben der Leiche. Hat hier ein Endkampf von Tarantino-esker Größe stattgefunden? Der Schwerverletzte wird in eine Klinik eingeliefert, kommt aber dort auf unnatürliche Weise ums Leben. Auch Adam Schürk bleibt verschwunden, nachdem er eine denkwürdige Begegnung mit seinem Vater (Torsten Michaelis) hatte, die sicher zu den kühnsten Szenen des neuen "Tatort"-Jahres zählen wird ...

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Hass, hinter dem selbst griechische Tragödien verblassen

Über die ersten Wendungen des nach "Der Herr des Waldes" wiederum thrillerartigen Saarland-Falles darf man nicht viel verraten, sonst würde man dem Film der jungen "Tatort"-Regisseurin Luzie Loose ("Schwimmen") einer seiner größten Stärken berauben: der Überraschung. Zum dritten Mal im dritten Film heißt der Autor des Falles Hendrik Hölzemann. Er hat sich zwei enge Jugendfreunde als Kommissare ausgedacht, die ein Geheimnis rund um Adams dunkle Familiengeschichte zusammenschweißt. Auch wenn ihr erster Fall "Das fleißige Lieschen" 2020 noch etwas unverbunden eine Geschichte um großbürgerliche Kriegsschuld neben die persönliche Story der jungen Ermittler stellte, ab Fall zwei ("Der Herr des Waldes") stand die Story der Kommissare sehr viel deutlicher im Mittelpunkt. Der Saarland-"Tatort" entwickelte sich damit in Richtung des düsteren Thriller-Universums eines Regisseurs wie David Fincher ("Sieben"), in denen das Böse nie banal, sondern von satanischer Qualität ist.

Es reicht nicht, auf entschlossene Art gut zu sein, um dieses Böse zu besiegen. Stattdessen müssen die Guten auch einen Hauch jener Genialität des Bösen mitbringen, damit die Welt dem Satan nicht allzu leicht zufällt. Das Böse ist in "Das Herz der Schlange" gleich in doppelter Form präsent. Während Adam seinem Vater in der endgültigen Eskalation ihres fast schon epischen Hasses begegnet, hinter dem selbst griechische Tragödien verblassen, müssen sich die übrigen Ermittelnden mit besonders perfiden Verbrechern auseinandersetzten, die ein "Evil Empire" in und außerhalbs des Gefängnisses aufgezogen haben. Einen Knast, den Adam Schürk - hier mag die Verbindung zwischen den Fällen liegen - bald schon aus nächster Nähe begegnen wird.

XXL-Thrillerfantasien aus dem Saarland

Damit der Post-Devid Striesow-"Tatort" nicht vollends von der dunklen Seite der Macht aufgesogen wird, bedarf es weiblicher Energie, um den vielen bösen Männern in diesem Film entgegenzutreten. Und diese Frauen gibt es! Nachdem die Ermittlerinnen im Team bislang über den Sidekick-Status nicht hinauskamen, setzt Film drei nun deutlich andere Akzente. Das Saarbrücker Ermittlungs-Team wird zur Viererbande, die durch die 32-jährige Regisseurin Luzie Loose und ihre Kamerafrau Anne Bolick weiter diversifiziert wird. Loose drehte ihren ersten "Tatort". Mit feinfühligen, poetisch inszenierten Coming-of-Age Stoffen wie dem preisgekrönten Film "Schwimmen" oder jungen Serien wie "Druck" ist sie bekannt geworden.

Im "Tatort: Das Herz der Schlange" dominiert der Thriller-Plot allerdings so sehr, dass Loose mit ihrer besonderen Regie kaum Akzente setzen kann. Ob man dem ziemlich konstruierten Fall emotional folgen mag, wird wohl davon abhängen, inwieweit man solche Larger-than-life-Thriller goutiert. Einer der kühnsten Pläne, die Geschichte des "perfekten Mordes" weiterzuschreiben, steht in diesem Saarbrücken-"Tatort" auf jeden Fall schon mal auf der Agenda. Für manche mag dieser Gegensatz zu groß erscheinen: das provinzielle Saarbrücken und der perfekte Mord sowie "das Böse" in fast schon Marvel-artiger Ausprägung. Andererseits: Wer im Kleinen nichts wagt, hat auch im Großen nichts verloren. Insofern haben sie schon was, die neuen XXL-Thrillerfantasien aus dem Saarland.

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