"Phoenix Runde"

Petra Gerster verteidigt Gendersprache in TV-Talk: "Es gibt keine Sprachpolizei"

26.02.2021 von SWYRL/Jens Szameit

Sie bekommt "haufenweise Briefe" von "wütenden Männern": Dennoch lässt sich "heute"-Journalistin Petra Gerster das Gendern in ihren Modarationen nicht ausreden. In einem Phoenix-Talk kam es darüber zum lebhaften Streit.

"Herzlich willkommen, liebe Zuschauerinnen und liebe Zuschauer - oder sollte ich sagen 'liebe Zuschauer:Innen'?" - Wenn schon die Anmoderation zu einer Fernsehsendung Fragen aufwirft, ist wohl wirklich eine Zeit des sprachlichen Umbruchs gekommen - mit offenem Ausgang. Anke Plättner wählte die Begrüßungsworte in der jüngsten Ausgabe der "Phoenix Runde" indes mit Bedacht. "Gendersprache - Überflüssig oder überfällig?", war der Donnerstags-Talk beim öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender überschrieben. Mithin eine emotional geführte Debatte - das war auch im Phoenix-Studio nicht anders.

Wie sehr die Frage nach dem geschriebenen oder gesprochenen Gendersternchen die Menschen aufwühlt, weiß Petra Gerster aus eigenem Erleben. Seit Oktober artikuliert die "heute"-Moderatorin den Genderstern als hörbare Lücke. "Es kam mir immer sperrig vor", erinnerte sie sich zugeschaltet aus dem Home Office in der "Phoenix Runde". "Dann nahm ich es bei Kolleg:Innen wahr, zum Beispiel Claus Kleber und Anne Will. Ich habe gemerkt, es ist gar nicht so furchtbar. Ab und an setze ich es seitdem ein und merke, es geht." Auch wenn das nicht alle so sehen würden. Nach einer Moderationswoche kriege sie "Haufenweise Post und muss Briefe beantworten, wütende Briefe, vor allem von Männern".

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"Löbliches Anliegen" trifft auf "grammatische Grenzen"

Ein Mann, der dieser Art Sprachwandel in der Tat skeptisch gegenüber steht ist, der Politikwissenschaftler Professor Werner Patzelt. Als Unterzeichner einer "Petition gegen Gender-Unfug" wurde er vorgestellt, schränkte aber sogleich ein: Lobenswert sei das Anliegen, "die auch sprachlich geronnene geringere Sichtbarkeit von Frauen zu durchbrechen". Aber dann gebe es eben "die Grenzen, auf welche ein so löbliches Anliegen aufgrund von sprachlichen und grammatischen Strukturen trifft".

Schärfere Ablehnung artikulierte die zweite Frau der Runde, die Kolumnistin Judith Sevinç Basad. Zwei Drittel der Deutschen würden Gendersprache ablehnen, zitierte die Journalistin eine aktuelle Umfrage: "Die Mehrheit der Bevölkerung hat keine Ahnung, was 'Gender' überhaupt bedeutet." Dass im sogenannten "Generischen Maskulinum" zwar nur die Männer genannt, aber alle mitgemeint seien, verstünden indes schon vierjährige Kindergartenkinder.

Ganz falsch, findet Professor Anatol Stefanowitsch, Sprachwissenschaftler der FU Berlin. "Die Gesamtheit der psycholinguistischen Forschung widerspricht dem." Man wisse etwa, dass "Stellenanzeigen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, eine Wirkung haben auf junge Frauen, die über ihre Berufswahl nachdenken". Gerster stimmte ihm zu: "Es scheint mir eine pure Behauptung zu sein, dass jeder Frauen mitgemeint sieht. Wir benutzen nicht das Gendern, um die Wirklichkeit zu verändern, sondern Sprache beschreibt ja die Wirklichkeit."

"Das grenzt an totalitäres Verhalten"

Man müsse es ja nicht gleich übertreiben und jedes Wort gendern - schränkte die ZDF-Nachrichtenjournalistin ein, die beteuerte, es gebe beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Sprachleitlinien. Zum "Bäcker" dürfe man auch weiterhin gehen und die Institution des "Kanzleramt" müsse nicht das "Kanzler:Innenamt" werden, nur weil mit Angela Merkel dort (noch) eine Frau residiere. Gerster: "Wir können es vom Kontext abhängig machen."

Die Kolumnistin Basad widersprach und unterstellte gesellschaftspolitische Absichten: "Bei der Durchsetzung der Sprachleitlinien geht es nicht um Höflichkeit, nicht darum, sexuelle Minderheiten sichtbar zu machen, es geht darum gewisse Wörter aus der Sprache herauszucanceln und Gedanken, Bilder, Assoziationen im Kopf der Rezipienten zu steuern." Zeitungsredaktionen und auch öffentliche Verwaltungsbehörden würden das genau so einfordern. Als Beispiel nannte Basad den Genderleitfaden des Landes Berlin, wo explizit angestrebt werde, "Handlungen und Meinungen der Bürger zu lenken". Die Autorin: "Das grenzt an totalitäres Verhalten."

Eine Aussage, die Petra Gerster "entschieden zu weit" ging. Die ZDF-Moderatorin: "Es gibt keine Sprachpolizei. Ich weiß nur, dass das Generische Maskulinum genauso eine Ideologie ist, die den Mann zum Maß aller Dinge macht." Linguist Stefanowitsch bekräftigte das: "Die Sprachpolizei, wenn es sie gibt, würde ich nur dort vermuten, wo es darum geht, das Gendern zu unterbinden." Ein Seitenhieb auf den Politologen und Petitionsunterzeichner Patzelt, der seine Unterschrift umgehend verteidigte: "Das ist eine Meinungsbekundung. In einem freien Staat ist es ganz normal, dass man eine Meinung frei artikuliert. Das hat mit Polizei nichts zu tun."

Die sexuell Diversen müssen in der Kunstpause verschwinden

Um Übrigen gelte die "Faustregel": "Wenn erwachsene Leute in einem Land anfangen, sich obrigkeitlich erzogen zu fühlen, dann sind sie verstimmt - und nicht zu Unrecht verstimmt." Und zum Stichwort grammatische Grenzen: "Bedauerlich finde ich, dass genau jene sexuell Diversen, um die wir uns zu Recht mehr bemühen als früher, in der Kunstpause des gesprochenen Sterns zu verschwinden haben, anstatt ausgesprochen zu werden. An dieser Stelle merkt man, dass man es nicht allen recht machen kann."

Eine gelassene Haltung, der sich Judith Sevinç Basad nicht anschließen mochte. Sie beklagte, dass vonseiten der Gendersprachen-Aktivisten moralischer Druck aufgebaut werde: "Wenn Sie sagen, dass solche Sprachregeln gendergerecht sind und garantiert in eine bessere Welt führen, dann ist es ja klar, wie derjenige aussieht, der immer noch das Generische Maskulinum verwendet: nämlich wie ein reaktionärer Menschenfeind." Das Gefühl hätten viele Studenten. Uni-Dozent Stefanowitsch reagierte sarkastisch: "Ich setze eine Belohnung von 100 Euro aus für denjenigen, der mir einen Studenten bringt oder eine Studentin, die Repressalien erleiden musste, weil sie in einer Hausarbeit nicht gendern wollte." Es müsse aber ein "echter Mensch" sein, nicht einer aus der Vorstellung.

Spätestens da war um Petra Gersters versöhnlichen Rat zum Ende der Sendung dankbar: "Schaum vorm Mund weglassen, gelassener sehen. Es geht nicht um Leben und Tod. Es ist erst mal nur Sprache."

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