Schauspielerin im Interview

Petra Schmidt-Schaller: "Loslassen ist eine unserer größten Aufgaben im Leben"

24.03.2023 von SWYRL/Eric Leimann

In der Ehe-Thriller-Miniserie "Ein Schritt zum Abgrund" (1. April, 20.15 Uhr, Das Erste) zeigt Petra Schmidt-Schaller eine der besten schauspielerischen Leistungen des bisherigen Fernsehjahres. Die Platzierung des verstörenden 180 Minuten-"Brettes" zur Primetime am Samstag ist durchaus mutig.

Das Ehepaar Jana (Petra-Schmidt-Schaller) und Christian Hansen (Florian Stetter) führt mit seiner Tochter im pittoresken Husum eine kleinstädtische Muster-Existenz. Sie arbeitet als Ärztin, er als Bauprojekt-Entwickler. Alles in feinster Ordnung. Doch dann findet sie ein fremdes Frauenhaar auf dem Schal ihres Mannes ... - "Ein Schritt zum Abgrund" (Samstag, 1. April, 20.15 Uhr, Das Erste) entwickelt sich zu einem Verdachtsdrama voller ungeahnter Wendungen und von durchaus verstörender Wucht. Petra Schmidt-Schaller, früher "Tatort"-Kommissarin an der Seite Wotan Wilke Möhrings, spielt ihre Rolle mit einer derart furiosen Intensität, dass die 42-Jährige für diverse Fernsehpreise nominiert werden könnte und sollte. Auch Petra Schmidt-Schaller hat übrigens eine Tochter und lebt getrennt vom Vater ihres Kindes.

teleschau: "Ein Schritt zum Abgrund" ist die Adaption des englischen Erfolgsformates "Doctor Foster". Kannten Sie die Originalserie?

Petra Schmidt-Schaller: Ich hatte zur Vorbereitung mal kurz reingeschaut, habe aber schnell wieder ausgemacht, weil ich merkte: Das hat so wenig mit dem Ansatz zu tun, den ich mit der Regie schon gefunden hatte, dass ich es nicht weiter verfolgen wollte. Die BBC hat den Stoff weltweit freigegeben. Er ist beispielsweise auch schon von Franzosen und Koreanern adaptiert worden. Auf der Berlinale habe ich erfahren, dass sich die BBC unsere Version bereits angeschaut hat, sie sehr gut fand und dazu sinngemäß sagte: Das ist dann wohl eher der psychodramatische Ansatz (lacht).

teleschau: Das heißt für jene Menschen, die das englische Original kennen, dass die Spannung bei den Deutschen eher nach innen weist?

Petra Schmidt-Schaller: Ja, bei uns kann man ein Stück weit den Figuren mehr bei der inneren Verwandlung zuschauen, würde ich sagen. Zumindest in der Frage, was Rache und Eifersucht mit Menschen machen kann.

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"Serien funktionieren fast immer über Identifikation"

teleschau: Die Serie erzählt von der psychologischen Eskalation eines Untreue-Verdachtes in einer Ehe. Was muss passieren, dass eine Liebesbeziehung derart eskaliert?

Petra Schmidt-Schaller: Die Frage ist immer, welche Schlüsse wir aus den Dingen ziehen, die uns im Leben widerfahren. Besonders bei schmerzhaften Ereignissen geht es darum: Wie tief dringen diese Dinge in uns ein? Da sind Menschen sehr unterschiedlich, aber je enger sich eine Schlinge um unseren Hals zieht, desto mehr schlagen wir aus. Desto eher tun wir Dinge, die wir und andere uns nie zugetraut hätten. Ich glaube, dieser Mechanismus ist tatsächlich bei allen Menschen gleich. Die Frage ist nur: In welcher Situation wird er getriggert? Ich fand an unserer Geschichte toll, dass dies am Beispiel einer klugen, grundsätzlich rationalen Frau gezeigt wird.

teleschau: Wie oft passiert es, dass man im Fernehen eine Frau spielen darf, die so widersprüchlich agiert? Oder umgekehrt gefragt: Sind viele Figuren, die man spielen muss, im Gegensatz dazu nicht unnatürlich einfach gestrickt?

Petra Schmidt-Schaller: Das Buch ist schon sehr gut und meine Figur der Jana schon sehr fein gezeichnet. Es ist aber insgesamt viel besser geworden mit den Fernsehrollen seit sich viele Plots vom 90-Minuten-Diktat befreit habe. Dadurch, dass man in Serien oder Mini-Serien einfach viel mehr Zeit zur Verfügung hat, kann man Charaktere feiner ausleuchten, sofern das Drehbuch dies ein bisschen hergibt.

teleschau: Sind anspruchsvolle Serien in den letzten Jahren deshalb so beliebt geworden?

Petra Schmidt-Schaller: Serien funktionieren fast immer über Identifikation. Man erkennt sich in Figuren wieder, oder man betrachtet sie zumindest so wie echte Menschen, für die man sich interessiert. Das ist natürlich umso leichter und anziehender, je komplexer und lebensechter diese Figuren gezeichnet sind. Es ist zwar kein Prinzip oder Erfolgsrezept für alle Zuschauer, aber doch für die meisten, denke ich.

"Ich liebe dich, aber ich weiß nicht, ob das für immer ist"

teleschau: Wie verstörend war die Frau, die Sie da spielen, für Sie?

Petra Schmidt-Schaller: In der Vorbereitung hatte ich dazu ziemlich intensive Gespräche. Mit Freunden, Bekannten und auch einer Psychologin, mit der ich öfter mal zusammenarbeite, wenn ich Figuren verstehen will. Es war total spannend, sich Gedanken darüberzumachen, was in uns Eifersucht und was genau Rache auslöst. Auch da sind Menschen sehr unterschiedlich gepolt. Die Modelle, mit denen wir aufgewachsen sind, spielen dabei eine große Rolle.

teleschau: Nämlich welche?

Petra Schmidt-Schaller: Es geht zum Beispiel darum, was wir mit Begriffen wie "die Liebe meines Lebens" anfangen können. Manche Menschen sind der Überzeugung, dass "die Liebe meines Lebens" auch das gesamte Leben lang diese "Liebe des Lebens" bleibt. In ihrem System gibt es keinen Schaltkreis für den Fall, dass sich auch etwas ändern kann. Das Konzept Liebe ist ohnehin sehr unterschiedlich für die Menschen. Wenn jemand sagt: "Ich liebe dich, aber ich weiß nicht, ob das für immer ist", hört sich das ja erst mal nach einer sehr vernünftigen Einschätzung an. Dennoch ist es für viele eine sehr verletzende Aussage, was mit dem eigenen Konzept der Liebe und dem Bild der eigenen Beziehung zu tun hat. Es gibt eine gewaltige Bandbreite an Reaktionen, wenn sich der Partner in jemand anderen verlieben sollte.

teleschau: Aber nicht alle Menschen reagieren auf diesen Schmerz mit Rachegelüsten ...

Petra Schmidt-Schaller: Nein, es gibt auch Menschen, die fühlen und sagen, dass wenn sich ihr Partner "entliebt" hat, das zwar weh tut, aber es selbstverständlich für sie ist, dass der andere gehen kann. Und es gibt Leute, die sagen: "Nein, du bist mein!" Bei ihnen hat Liebe etwas mit Besitz zu tun. Und das geht dann oft noch weiter, weil es auch die Kinder betrifft. Das sind tiefe Glaubenssätze, die zu starken Reaktionen führen. In der Spitze ergibt das schwer pathologische Verhaltensweisen. Nach dem Motto: "Wenn du dich trennst, dann tue ich mir und den Kindern etwas an."

"Dein Leben gehört auch mir"

teleschau: Hat das gefühlte Verfügungsrecht über andere etwas mit einem guten oder schlechten Selbstwertgefühl zu tun?

Petra Schmidt-Schaller: Kann sein, muss aber nicht, denke ich. Es gibt Menschen mit schwach ausgeprägtem Selbstwert, die die Liebe des anderen brauchen, um sich selbst zu mögen. Es gibt aber auch sehr selbstbewusste Charaktere, die den Glaubenssatz "mein Leben gehört mir" gerne mal auf "und dein Leben gehört auch mir" erweitern.

teleschau: Würden Sie sagen, dass es gesund ist, wenn wir den anderen gehen lassen können?

Petra Schmidt-Schaller: Was ist schon gesund - oder normal?

teleschau: Dann anders: Ist es eine wichtige Lebensaufgabe, dass wir andere gehen lassen können?

Petra Schmidt-Schaller: Das gefällt mir besser. Ich bin überzeugt davon, dass Loslassen eine unserer größten Aufgaben im Leben ist. Das merken wir als Mütter schon bei der Geburt: Wenn man nicht loslässt, wird es schwierig. Früher als man denkt werden die Kinder dann größer und irgendwann komplett selbständig. Eine große Aufgabe für uns Eltern! In der Partnerschaft ist es auch so. Ich schätze es sehr, eine Liebe zu erleben. Aber wenn es nicht mehr geht, wenn sich die Liebe in etwas anderes verwandelt, muss man schauen, wie man in Verbindung bleibt: als Paar, als Freunde oder eben gar nicht.

"Ich glaube nicht, dass ein Partner im Leben absolut notwendig ist, um nicht einsam zu sein"

teleschau: Glauben Sie, dass wir am Ende alleine sind und nicht auf Dauer so eng mit einem Menschen verbunden, wie wir es uns gerne erträumen?

Petra Schmidt-Schaller: Die Frage lautet, was "alleine" bedeutet. Für manche Menschen ist es das größte Glück, wenn sie mit sich zusammen und nicht einsam sind. Auf diese Weise können sie auch gut in Verbindung mit anderen Menschen sein. Es geht darum, ob einem das Alleinsein Angst einjagt oder nicht. Manche sind nur in Verbindung mit einem anderen Menschen erfüllt. Gleichzeitig gibt es viele, die sagen: "Oh Gott, ich habe mich so einsam und alleine in dieser Partnerschaft gefühlt." Ich glaube nicht, dass ein Partner im Leben absolut notwendig ist, um nicht einsam zu sein.

teleschau: Haben Sie persönlich etwas Tiefgreifendes durch die Rolle gelernt?

Petra Schmidt-Schaller: Ja, durchaus. Ich habe verstanden, wie sich Menschen fühlen, die Eifersucht sehr stark empfinden - bis hin zu Rachegefühlen. Das war mir wirklich fremd, weil ich so starke Eifersucht nicht kenne. Wenn ich daraus Lehren ziehen soll, dann würde ich sagen: Sollte so etwas doch noch auf mich zukommen, würde ich all diese Gefühle und Untiefen schon kennen (lacht).

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