"München - Im Angesicht des Krieges" bei Netflix

Vom verzweifelten Versuch, Hitler zu stoppen

19.01.2022 von SWYRL/Sven Hauberg

Das Münchner-Abkommen als Thriller: Netflix zeigt mit "München - Im Angesicht des Krieges" eine spannende Geschichtsstunde mit Top-Besetzung.

Bei einem Film über das Dritte Reich stellt sich zunächst immer wieder unweigerlich die gleiche Frage: Wer spielt Adolf Hitler? Und vor allem: Wie spielt er ihn? Im Falle des Netflix-Films "München - Im Angesicht des Krieges" (ab 21. Januar) muss man geschlagene 59 Minuten warten, bis Ulrich Matthes erstmals mit Seitenscheitel und Hitlerbärtchen vor die Kamera tritt. Der "Führer" sitzt in einem Zug auf dem Weg nach Bayern, rückt sich die Lesebrille zurecht, blättert in einem Stapel Zeitungen und fragt dann, mit gepresster Stimme, wer den Artikel geschrieben habe, der da vor ihm liegt. "Das ist der Leitartikel der London Times", antwortet man ihm.

Das Ganze wäre reichlich banal, wenn Matthes (der in Hirschbiegels "Der Untergang" einst als Goebbels zu sehen war) nicht bereits in dieser kurzen Szene "seinem" Hitler einen diabolischen Unterton geben würde, der den Mann mit nur wenigen Sätzen als Psychopathen ausweist. Er habe sich bei der Darstellung Hitlers um eine "Anti-Monstrosität" bemüht, sagte Matthes im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Und tatsächlich nimmt er dem Diktator zwar nicht das Böse, zeigt ihn aber auch als Mann mit dem Drang, sich immer wieder über seine Umgebung lustig zu machen, als eine Art teuflischen Scherzkeks, was, so Matthes, historisch belegt sei.

Hitler ist allerdings nur Nebenfigur in diesem Film über das Münchner Abkommen von 1938. Erzählt wird die Geschichte des Vertrages, den Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien ein Jahr vor Kriegsausbruch schlossen, aus der Sicht zweiter fiktiver Figuren: Hugh Legat (George MacKay, "1917") arbeitet für den britischen Premierminister Chamberlain, Paul von Hartmann (Jannis Niewöhner, "Je suis Karl") hingegen ist im deutschen Außenministerium tätig. Die beiden jungen Männer hatten sich einst in Oxford kennengelernt, mittlerweile aber voneinander entfremdet. Paul nämlich war zwischenzeitlich ins Völkisch-Nationale abgedriftet. Was sein einstiger Studienfreund Hugh allerdings nicht weiß: Mittlerweile gehört er dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus an.

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Komplizierte Weltpolitik

Hitler, so das Kalkül von Paul und seinen Mitstreitern, werde schon bald in der Tschechoslowakei einmarschieren und so einen Krieg vom Zaun brechen. Weil das deutsche Volk aber keinen Krieg wolle, werde die Wehrmacht Hitler stürzen. "Ohne Verbrechen keine Verhaftung!", sagt er. In London blickt Hugh derweil völlig anders auf die weltpolitische Lage: Während in England bereits Gasmasken verteilt werden, will er einen Krieg um jeden Preis verhindern. Auch Chamberlain (Jeremy Irons) will Hitler stoppen. "Solange der Krieg noch nicht begonnen hat, besteht noch immer die Hoffnung, dass er verhindert werden kann", sagt der Politiker.

Als Paul und Hugh jeweils nach München reisen, ist die Ausgangslage also so kompliziert, wie es Weltpolitik eben manchmal ist. Hitler will den Krieg, die restliche Welt nicht, Pauls Widerstandsgruppe hofft auf Hitlers Marschbefehl. Das Abkommen, das in München ausgehandelt wird, soll Hitler jedenfalls besänftigen, indem Deutschland das Sudetenland abgetreten wird.

Paul aber weiß: Hitler lässt sich so leicht nicht ruhigstellen. Er ist im Besitz streng geheimer Dokumente, die zeigen, dass ein Einmarsch in der Tschechoslowakei nur der Anfang eines Eroberungsfeldzuges durch halb Europa wäre. Also will er in München - und von da an wird der Film vom Historienstück zum Thriller - seinem einstigen Freund Hugh eben jene Dokumente zukommen lassen, um Chamberlains Appeasement-Politik zu beenden. "Wir beide, du und ich, sind die letzte Hoffnung, um Hitler zu stoppen", weiß er.

"München - Im Angesicht des Krieges" basiert auf dem Bestseller "München" des Engländers Robert Harris. Der deutsche Regisseur Christian Schwochow ("Deutschstunde") hat aus der Vorlage eine gekonnte Mischung aus Geschichtsunterricht und Thriller gemacht. Sein Film ist hervorragend gespielt (vor allem Jeremy Irons als glückloser Premierminister Chamberlain ist eine Wucht) und mit August Diehl, Liv Lisa Fries und Sandra Hüller bis in die Nebenrollen prominent besetzt.

Schwochow hat zum Teil an Originalschauplätzen in der bayerischen Landeshauptstadt gedreht, was seinen Film trotz der fiktiven Geschichte um Paul und Hugh beängstigend real macht. Auch wenn man natürlich weiß, wie die Geschichte ausgeht und dass der Krieg kommen wird, bleibt "München" bis zum Schluss spannend.

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