"Lost in Fuseta" mit Jan Krauter:

Neuer ARD-Kommissar mit Asperger-Syndrom

06.09.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Jan Krauter, 38 Jahre alt, hat es von vielen einprägsamen Nebenrollen nun zum Star einer wohl neuen Krimireihe im Ersten geschafft. Mit "Lost in Fuseta" füllt er über zweimal 90 Minuten einen ganzen Samstagabend. Seine Rolle: ein deutsche Kommissar mit Asperger-Syndrom in Portugal.

Jan Krauter, ein Nordlicht aus Wilhelmshaven, das in Stuttgart Schauspiel studierte und anschließend am dortigen Theater für Furore sorgte, hat es endlich geschafft. Unzählige eindrückliche "Einzelrollen" musste der Wahl-Berliner spielen - von Ulrich Tukurs Sohn in dessen "Grzimek"-Biopic bis hin zu Episoden-Hauptrollen in diversen "Tatort"-Folgen -, bis er nun einen ziemlich sonderbaren Kommissar im Ersten geben darf. In "Lost in Fuseta - Ein Krimi aus Portugal" (Samstag, 10. September, 20.15 Uhr, im Ersten) spielt er Leander Lost, einen Hamburger Ermittler mit Asperger-Syndrom, der zu einem Austauschjahr an die portugiesische Algarve reist. Im Interview spricht Jan Krauter über Gemeinsamkeiten zwischen Asperger und Deutschsein und warum in Portugal die besten Schauspieler vor allem in Telenovelas zu sehen sind.

teIeschau: "Lost in Fuseta" zeigt Sie als Ermittler mit Asperger-Autismus. Diese Menschen können Gefühle schlecht lesen und zeigen. Für Sie als Schauspieler ein Geschenk oder eine eher schwere Rolle?

Jan Krauter: Sowohl als auch. Immer, wenn man jemanden spielt, der klar von der Norm abweicht, gibt es wenig Vergleichsmöglichkeit, ob die Darstellung richtig war. Vielleicht ist die Kritik bei solchen Exoten-Rollen deshalb oft wohlwollender, weil wenige nur Leute sagen können: "Das stimmt doch so gar nicht!"

teIeschau: Es kann aber auch vernichtende Kritik hageln, wenn zum Beispiel die betroffene Gruppe, in diesem Fall Asperger-Menschen, sagen würde: "So sind wir überhaupt nicht!"

Krauter: Genau, das ist die Kehrseite. Bei "Lost in Fuseta" muss man aber klar sagen, dass der Asperger-Autismus von Leander Lost auch ein unterhaltendes Element ist. Es geht nicht darum, ein Psychogramm quasi-dokumentarisch auszuleuchten. Der Stoff hat eine Leichtigkeit. Es ist die Außenseiter-Geschichte von jemand, der weit reisen muss, um in einer Art Familie anzukommen. Leander Lost ist ein doppelter Außenseiter: Zum einen kommt als steifer, gefühlsreduzierter Deutscher an die Algarve - und dann hat er auch noch Asperger.

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Hast du Asperger oder bist du Deutscher?

teIeschau: Sie meinen, Asperger und Deutschsein hat viel gemeinsam?

Krauter: Die Romanvorlage und das Drehbuch, beides stammt ja vom Autor Holger Karsten Schmidt, spielt auf jeden Fall mit diesem Klischee. Die Portugiesen identifizieren Herrn Lost ja auch am Anfang gar nicht als Asperger-Mensch. Sie denken, er ist einfach deutsch (lacht).

teIeschau: Aber die Figur ist nicht wirklich realistisch, oder?

Krauter: Im wirklichen Leben hätte man Leander Lost wahrscheinlich nicht zum Polizisten gemacht und ihm eine Waffe in die Hand gedrückt. Für diesen Beruf braucht man ein hohes Maß an sozialer Kompetenz. Andererseits spricht man ja von "Menschen im Asperger-Spektrum". Da gibt es sehr viele Abstufungen in Bezug darauf, wie stark Asperger ausgeprägt ist.

teIeschau: Wie haben Sie sich vorbereitet?

Krauter: Ich habe mir sehr viele Dokus über Asperger angeschaut. Da waren auch viele Porträts von Menschen mit Asperger-Autismus dabei. Manche dieser Leute arbeiten in durchaus anspruchsvollen Berufen, sogar Anwälte waren dabei. Viele von ihnen sind selbständig lebensfähig. Wie gesagt, es kommt auf die Schwere der Ausprägung an. Interessant ist, dass man immer vermutet, diese Leute hätten keine oder wenig Gefühle. Das stimmt so nicht. Sie haben eine ganz normale Gefühlswelt, so wie jeder andere Mensch auch. Ihr Problem liegt darin, dass sie nicht wissen, wie sie diese Gefühle ausdrücken sollen. Und es fällt ihnen schwer, Gefühle bei anderen Menschen zu erkennen.

teIeschau: Und das spielen Sie dann, indem Sie ein Pokerface bei emotionalen Szenen aufsetzen?

Krauter: Zum Beispiel. Und gleichzeitig muss man dabei ausdrücken, dass hinter diesem Pokerface eine Emotion schlummert. Das ist die Herausforderung an der Rolle. Ob es mir gelungen ist, müssen andere beurteilen.

Kein "Portugal-Krimi" für Portugisen?

teIeschau: Nun füllen Sie mit diesem Zweiteiler einen ganzen Samstagabend im Ersten. Es gibt aber noch vier weitere Romane mit Leander Lost. Ist das der Start für eine neue Krimi-Reihe?

Krauter: Es ist geplant, dass wir mit "Lost in Fuseta" weitermachen. Alle haben Lust darauf, doch wir müssen natürlich sehen, ob die Quote ausreichend gut ist. Sollte es so sein, setzen wir die Dreharbeiten wohl im kommenden Frühjahr fort.

teIeschau: Haben Sie die Bücher gelesen? Ist darin eine Weiterentwicklung Ihres Charakters von Band zu Band zu finden?

Krauter: "Lost in Fuseta" ist ohnehin eher ein Entwicklungsroman als ein Krimi. Krimis haben wir auch schon mehr als genug in Deutschland. Hier schwingt der Kriminalfall zwar immer mit, aber er steht nicht im Mittelpunkt. Da ist die Entwicklung der Figur und ihrer Beziehungen zu finden. Es geht um eine Gruppe sehr unterschiedlicher Menschen und was sie füreinander sind, was sie sich geben. Ich habe aber bisher nur den ersten Roman gelesen, weil ich Leander Lost nicht schon in einer Phase kennen wollte, in der ich selbst mit der Figur noch gar nicht angekommen bin.

teIeschau: "Lost in Fuseta" ist in einem gemischten, deutsch-portugiesischen Schauspiel-Ensemble entstanden. Deshalb werden einige Rollen synchronisiert, andere reden deutschen O-Ton. Ist man von so etwas nicht weggekommen?

Krauter: Es ist eine Entscheidung vom Sender, in dieser Entscheidung stecken wir als Darstellende nicht drin. Ich bin hin- und hergerissen, weil ich selbst Schauspielerinnen und Schauspieler auch lieber im Original verfolge. Jetzt machen wir aber deutsches Fernsehen, teilweise auch für ältere Menschen, die sich schwer damit tun, Untertitel zu lesen. Im Endeffekt ist es wie ein synchronisierter Film. Hätten alle Originalton gesprochen, hätte ich Leander Lost auch nicht spielen können, denn der spricht fließend Portugiesisch. Und ich eben nicht.

Vom Arthaus in den Mainstream

teIeschau: Wird das Format auch in Portugal laufen?

Krauter: Ich hoffe es, denn wir haben mit tollen Kolleginnen und Kollegen von dort gearbeitet. So hätte sie die Chance, sich selbst zu synchronisieren. Es sind tolle Schauspieler, aber Portugal ist natürlich auch ein kleiner Markt. Es wäre ausgleichende Gerechtigkeit, wenn sie ihre Arbeit daheim zeigen können. Ich hoffe, dass sich die Portugiesen auch für Krimi interessieren, denn dort dominiert ein anderes TV-Genre. Was hier der Krimi ist, ist dort die Soap Opera. Deshalb sieht man dort auch brillante Kolleginnen und Kollegen in solchen Formaten. Die Besten der Besten spielen dort Soap.

teIeschau: Vorher gab es bei der ARD Jürgen Tarrach, der im "Lissabon-Krimi" ermittelte. Jenes Format wurde beendet, nun gibt es Ihren "Portugal-Krimi" von der Algarve. Wie sehr sehnen sich die Deutschen nach Portugal?

Krauter: Ich weiß nichts über die Hintergründe, auch wenn ich wahrgenommen habe, dass es den "Lissabon-Krimi" nun nicht mehr gibt. Ob wir als direkte Nachfolge geplant waren und das andere Format deshalb nicht mehr existiert, weiß ich ebenfalls nicht. Aber - na klar, viele Deutschen sind fasziniert von der wunderbaren Landschaft, der Sonne, dem Licht und der entspannten, aber eben auch ein bisschen melancholischen Lebensart dieses Landes. Es ist eben auch ein bisschen anders , als andere südliche Länder.

teIeschau: Sie haben zuletzt in der Ferdinand von Schirach-Verfilmung "Der Taucher" bei RTL+ gespielt. Ein Film aus der zu Recht gefeierten Kurzfilm-Reihe "Strafe", ein extrem ambitioniertes Arthaus-Projekt. Nun spielen Sie in einem Krimi, der den Mainstream zufriedenstellen soll. Wo liegt der Unterschied?

Krauter: Man konzentriert sich als Schauspieler natürlich immer erst mal auf seine Rolle. Man bekommt aber ein bisschen mit, in welche Richtung ein Dreh gehen soll. Ab und zu schaut man auf den Monitor, oder man sieht anhand der Kameras und ihrer Bewegungen, wie eine Szene aufgelöst wird. Trotzdem ist es für uns Darstellende oft eine Wundertüte, was später aus unserer Arbeit entsteht. Sehr entscheidend sind eben auch der Schnitt, die Farbgebung oder die Musik. All diese Faktoren verändern unsere Arbeit extrem. Oft ist es ein Rätselraten, wie das Endprodukt aussieht. Das wird auch nicht bei jedem Projekt klar kommuniziert. Schauspieler oder Regisseure wollen natürlich lieber etwas künstlerisch Herausragendes als etwas von der Stange machen. Aber manchmal wundert man sich schon am Ende, was aus Szenen oder Filmen geworden ist, in denen man selbst mitgespielt hat.

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