13.08.2024 von SWYRL/Eric Leimann
In der ARD-Doku "Willst Du wissen, wann Du stirbst?" besucht Reporter Frank Seibert drei Menschen und Familien, die per Gendiagnostik erfuhren, dass sie frühzeitig schwer erkranken werden - oder diese Erkrankung schon haben und sie eventuell an ihre Nachkommen weitergegeben haben. Wie geht man damit um?
Kim ist erst 27 Jahre alt. Schon heute weiß sie, dass in ihren Genen eine Mutation steckt. In ungefähr zehn Jahren wird diese sehr wahrscheinlich Alzheimer auslösen. Eine Krankheit, gegen die es aktuell noch keine Heilung gibt. Kim ist eine von mehreren Personen, die in der sehr menschennahen Doku "ARD Wissen: Willst Du wissen, wann Du stirbst?" vorgestellt werden.
Im Untertitel heißt der 45 Minuten lange Film, der am Montag im Ersten lief, "Frank Seibert und die Gendiagnostik". Der Reporter, er selbst denkt über die Häufung von Krebserkrankungen in seiner Familie nach, will wissen, was der Blick in eine sehr klare Kristallkugel, den uns die moderne Forschung bietet, mit uns anstellt. Im Falle von Kim sorgte das Wissen, dass die vom Gen des Vaters ererbte Krankheit zu 100 Prozent bei ihr ausbrechen wird, zu einer "Intensivierung" ihres Lebensgefühls.
Sie lernte ihren Partner Tom kennen und erzählte ihm schnell von ihrem - sicheren - Schicksal. Tom entschied sich trotzdem für Kim, weil er lieber 15 schöne Jahre mit ihr verbringen will, als sie niemals gekannt zu haben. Zusammen haben die beiden Söhnchen Marten: Auch er ist mit einer 50-Prozent-Gefahr ins Leben gestartet, frühzeitig an Alzheimer zu erkranken.
Kim erzählt, dass ihr Menschen vorwerfen, offen oder hinter der berühmten vorgehaltenen Hand, an ihrer Stelle sollte man keine Kinder in die Welt setzen.
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Uwe vergaß den Enkel im Kinderwagen
Auch Jana stellt sich in der Dokumentation vor. Sie hatte per Gendiagnostik eine 70-prozentige Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken - und ließ sich daraufhin frühzeitig die Brüste entfernen. Tatsächlich fanden sich schon erste Krebszellen in ihrem Gewebe. Nun ist ihr Risiko, noch einmal zu erkranken, auf unter fünf Prozent gesunken.
In Freital bei Dresden besucht Reporter Frank Seibert das Ehepaar Silke und Uwe. Der 57-jährige Uwe trug jene Genmutation in sich, die für die erbliche Alzheimer-Erkrankung verantwortlich ist. Er ist längst ein Pflegefall. Vor zehn Jahren kamen die ersten Symptome. Als er einmal ohne sein Enkelchen im Kinderwagen nach Hause kam, weil er vergessen hatte, dass er das Kind dabei hatte, schickte ihn Silke zum Neurologen.
Und doch bereut Silke nicht, mit Uwe zusammengekommen zu sein. Sie hat zwei Töchter in die Beziehung mitgebracht - ein gemeinsamer Sohn mit Uwe kam hinzu. Er will sich nicht testen lassen. Seine Chance, die Genmutation vom Vater nicht geerbt zu haben, liegt bei 50 Prozent.
Britische Neugeborenen-Studie zu Gendiagnostik
Immer mehr neurodegenerative Erkrankungen, aber auch andere schwere Diagnosen wie Krebs können durch den Blick in die Gene vorhergesagt werden. Mal liegt das Erkrankungsrisiko bei 100 Prozent, mal ist es "nur deutlich erhöht". Die Gene eines gesunden Kindes mit erblicher Vorbelastung dürfen übrigens nicht untersucht werden. Erst mit 18 Jahren kann man sich - nach geltendem Recht - selbst dafür oder dagegen entscheiden.
In Großbritannien läuft gerade eine gewaltige Studie, die jedes zwölfte Neugeborene auf Erbkrankheiten zu untersuchen. Es sind nur Untersuchungen zu Krankheiten erlaubt, die behandelbar sind. Der Alzheimer-Test gehört nicht dazu. Man sieht, die schnell wachsenden Möglichkeiten der Gendiagnostik werfen zahlreiche ethische Fragen auf. Will man sein Schicksal kennen? Wie lebt es sich, wenn man auf dieses Wissen verzichtet? Und was passiert, wenn andere davon erfahren?
Datenbank mit 100.000 Kleinkinder-Genomen
Aus der englischen Studie soll eine Datenbank aus 100.000 Kleinkinder-Genomen entstehen. Sie könnte entscheidend dabei helfen, Medikamente gegen künftige Erkrankungen zu finden. Die Datensätze selbst sollen dabei anonym bleiben. Und mit 16 Jahren dürfen die Kinder entscheiden, ob ihr Datensatz gelöscht werden soll.
Der Film "Willst Du wissen, wann Du stirbst?" konzentriert sich auf die menschlichen Fragen rund um persönliche Schicksalsschläge, von denen man heute schon weiß, dass und in etwa wann sie kommen werden. Er schließt mit den Worten: "Die Gene sind in uns festgeschrieben. Aber wir bestimmen, wie wir mit dem Wissen über sie umgehen."