Nur Gott kann mich richten - So. 23.01. - SAT.1: 22.35 Uhr

In den Fängen des Milieus

15.01.2022 von SWYRL/Christopher Diekhaus

Mal wieder ist es ein aus dem Ruder laufender letzter Coup, der die Gangster in Özgür Yildirims Unterweltreißer in arge Bedrängnis bringt.

Düstere deutsche Genrefilme haben auf heimischem Terrain seit Jahrzehnten einen schweren Stand. Zu selten gibt es echte Perlen zu entdecken. Zu sporadisch ist die Produktion an hiesigen Thrillern oder Horrorwerken. Und zu gering das Interesse des Publikums, wenn sich nicht gerade - wie im Fall von "Who Am I - Kein System ist sicher" (2014) - eine Riege angesagter Stars die Ehre gibt. Vor diesem ernüchternden Hintergrund muss man Regisseur und Drehbuchautor Özgür Yildirim umso mehr Respekt zollen, da er seit seinem Durchbruch mit der Gangsterballade "Chiko" unermüdlich versucht, dem Zuschauer abgründige Geschichten schmackhaft zu machen.

Zuletzt gewann der Deutschtürke mit seiner Dramaserie "Para - Wir sind King" sogar den deutschen Fernsehpreis für die beste Regie. Zuvor heimste er zahlreiche Auszeichnungen unter anderem mit "Nur Gott kann mich richten" (2017) ein, den SAT.1 nun zu später Stunde erstmalig im Free-TV zeigt. Der Film führt Yildirim mit einer rauen, nihilistischen Unterwelt-Story zu seinen Ursprüngen zurück. Statt Hamburg dient dieses Mal Frankfurt und sein berüchtigtes Bahnhofsviertel als Tummelplatz für zwielichtige, gebrochene Figuren, die auf ihrer verzweifelten Suche nach etwas Glück viele falsche Entscheidungen treffen.

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Moritz Bleibtreu überzeugt als rückfälliger Verbrecher

Ein fehlgeschlagener Überfall hat Ricky (Moritz Bleibtreu) vor fünf Jahren in den Knast gebracht, den er nun mit dem Wunsch verlässt, eine eigene Bar zu eröffnen. Was fehlt, ist das nötige Kleingeld, um den Traum in die Tat umsetzen zu können. Praktischerweise erzählt ihm sein alter Kumpel Latif (Kida Khodr Ramadan) von einem angeblich todsicheren Coup: Zum Schein sollen die beiden für albanische Gangster bei einer Drogenübergabe den Stoff entwenden und ihn anschließend wieder an die Besitzer übergeben.

Obwohl er äußerst skeptisch ist, lässt sich Ricky breitschlagen, sieht sich allerdings schon bald mit ernsthaften Problemen konfrontiert. Unerwartet kann Latif nicht an dem fingierten Raub teilnehmen, weshalb Ricky seinen Bruder Rafael (Edin Hasanovic) um Hilfe bittet, der eigentlich nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Zähneknirschend greift er Ricky unter die Arme und zahlt dafür einen hohen Preis. Denn nach dem Überfall geraten die Geschwister an die Polizistin Diana (Birgit Minichmayr), die in Schwierigkeiten steckt und die erbeuteten Drogen unterschlägt.

Ohne Kompromisse Richtung Inferno

So stimmungsvoll die grimmige Gangstermär auch sein mag und so mitreißend manche Passagen auch ausfallen, mischen sich vermehrt Irritation in die positiven Eindrücke. Emotionale Zwischentöne will der Regisseur vor allem über die Szenen zwischen Ricky und seinem demenzkranken Vater (Peter Simonischek) hervorrufen, verfährt dabei allerdings etwas plakativ und taucht nie richtig unter die Oberfläche. Als größtes Problem erweist sich die arg schematische Konstruktion des Drehbuchs, dessen Seiten man mit zunehmender Dauer deutlich rascheln hört.

Dass Yildirim ohne Kompromisse auf ein Inferno zusteuert, ist angesichts der oftmals weichgespülten deutschen Kino-Geschichten absolut erfreulich. Mit etwas mehr Fingerspitzengefühl für die Zeichnung seiner Protagonisten und den Aufbau seiner schicksalhaften Erzählung wäre allerdings mehr möglich gewesen als ein "bloß" ordentlicher Unterweltreißer.

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