Heinz Sielmann starb vor 15 Jahren am 6. Oktober 2006

"Die Erde wird uns bestrafen"

06.10.2021 von SWYRL/Wilfried Geldner

Heinz Sielmann, neben Bernhard Grzimek der bedeutendste Tierfilmer im deutschen Fernsehen seit den 60er-Jahren, starb vor 15 Jahren am 6. Oktober 2006 im Alter von 89 Jahren in München. Zu Lebzeiten wurde er mit Preisen überhäuft.

Die Engländer nannten ihn "Woodpecker", den Specht. Und das wohl nicht nur wegen seiner beeindruckenden Filme über den "Waldarbeiter" mit dem scharfen Schnabel und der langen Zunge, sondern auch wegen des eigenen Aussehens. Fast 30 Jahre servierte Heinz Sielmann im Ersten Deutschen Fernsehen seine "Expeditionen ins Tierreich", drehte Kinofilme wie "Galapagos - Trauminseln im Pazifik" oder "Herrscher des Urwalds" und heimste Bundesfilmpreise, die Goldene Kamera oder den Silbernen Berlinale-Bären dafür ein. Vor 15 Jahren, am 6. Oktober 2006, starb Sielmann, der Pionier des deutschen Tierfilms, im Alter von 89 Jahren in München.

In 25 Sprachen wurden Sielmanns "Expeditionen ins Tierreich" synchronisiert, 179 Folgen wurden von 1965 bis 1991 beim NDR produziert und ausgestrahlt. Eine spätere Fortsetzung bei RTL blieb allerdings erfolglos und wurde bereits nach wenigen Sendungen wieder abgesetzt.

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"Der Mensch stirbt zuerst, also vor der Natur"

Im Rückblick bezeichnete sich der allzeit emsige Naturverteidiger als einen "zutiefst zufriedenen Menschen". Seine letzten Jahrzehnte hatte er vor allem in den Dienst zum Erhalt der Vielfalt und der Arten gestellt. Seine Botschaft: Der Mensch stirbt zuerst, also vor der Natur, wenn wir so weitermachen. Mit der 1994 zusammen mit seiner Frau Inge gegründeten Heinz-Sielmann-Stiftung wollte er nicht zuletzt sogar durch Landankäufe dieser Entwicklung entgegenwirken. Auf Gut Herbigshagen nahe dem niedersächsischen Duderstadt erinnert heute eine Kapelle an den legendären Naturschützer und seine Frau.

Mit einem Stummfilm über "Vögel über Haff und Wiesen" hatte 1938 alles angefangen. Sielmann war damals 21. Bereits mit sieben zog er von seinem Geburtsort Rheydt bei Mönchengladbach nach Königsberg in Ostpreußen um, wo der Vater eine Baustoffhandlung gründete. Vor allem der schulischen Leistungen wegen war Paul Sielmann vom Hobby seines Sohnes, der Beobachtung der Wiesenvögel und Schnepfen, nicht sonderlich begeistert. Die Mutter hingegen, französisch-schweizerischer Abstammung, schenkte ihm eine Spiegelreflexkamera zum Fotografieren, der Vater zog später nach, und der Tierfilmer Sielmann war geboren.

In Posen studierte er Verhaltensforschung und Vogelkunde. Bei Kriegsausbruch 1939 warnte ihn der Vater dann: "Werde Funker, dann bist du weit vom Schuss!" Sielmann kam nach Kreta, wurde dort für Naturbeobachtungen freigestellt und bei Kriegsende von den Briten interniert. Der dortigen BBC blieb er künftig treu, zeigte alle seine in Deutschland gedrehten Filme auch den Briten. Sein Film über die Spechte übertraf 1954 sogar die Zuschauerzahlen der Fußball-WM. Für die deutsche Spielfilmfassung mit dem schönen Titel "Zimmerleute des Waldes" bekam er den Bundesfilmpreis 1955.

Mit dem Blick für das Unscheinbare

Sielmann drehte vor allem für das Filmwissenschaftliche Institut (FWU) bei München, doch seine Filme waren alles andere als trockener Schulunterricht. Egal, ob es sich um die Hausmaus im Garagenhotel mit Saatgut-Versorgung oder um drollig staksende Mottenraupen drehte, die zu zutraulichen Tierchen wurden: Er verstand es, die Tierwelt mit einem Schuss leisen Humors bis hin zum Comic zu versehen.

Tage- oder gar monatelang legte er sich in Unterständen ab morgens früh um vier auf die Lauer, zog Jungspechte zur Gewöhnung im Labor von Geburt an groß und baute ihnen eine raffinierte Neben-Bruthöhle, um sie mit der Kamera in aller Ruhe beobachten zu können. Dass er seinen Kommentaren später auch manches Fremdmaterial untermischte, verdeckten Stimme und Entertainer-Charme mit Leichtigkeit.

Mit dem näselnden, betont ruhigen Singsang seiner Sielmann-Prosa erzählte er von den "Harpunen- und Leimrutenzungen" der Spechte, von deren "Meißelschnäbeln" und "Stützschwänzen". Und es war aufregend, wenn die Harpunenzunge des Spechts "um ein Mehrfaches der Schnabellänge" vorschnellte und die Käferlarve kunstvoll aus dem Holz der Kiefer zog. Mit dem berühmten Blick für das Unscheinbare brachte er dem Zuschauer neben allerlei Exotischem wie Berggorillas in Afrika und Roten Paradiesvögeln in Papua auch die Natur in Haus und Garten nahe. Das Sensationelle, der Grusel, den heutige Tierfilme gerne bedienen, blieb ihm immer fremd.

Mosaikstein für Mosaikstein

"Die Erde wird uns bestrafen", und: "Es wird uns an den Kragen gehen", waren seine Botschaften in seinen letzten Jahrzehnten, wenn er elegant gegen Naturzementierung und Automobilwahn wetterte. Mit der Heinz-Sielmann-Stiftung, die nicht zuletzt dem Andenken an seinen 1978 mit 24 Jahren bei einem Unfall in Kenia verstorbenen Sohn gewidmet ist, wollte er dem Niedergang der Natur entgegenwirken.

Zuallererst setzte sie sich für den Erhalt des großen Biotops an der ehemaligen innerdeutschen Grenze ein. "Jeder Mosaikstein, den ich für den Naturschutz setzen kann, ist für mich eine beglückende Bereicherung, ein Zugewinn an Lebensqualität", bekannte er. - Zu Lebzeiten wurde der Pionier des deutschen Tierfilms ob seiner übergroßen Liebe zu den Tieren von manchen belächelt. Doch heute klingen seine Botschaften mehr denn je mahnend in den Ohren.

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