Andreas Pietschmann im Interview

"Gut, dass nicht mehr nur die klassischen Rollenmodelle gelebt werden"

18.09.2022 von SWYRL/Vanessa Schwake

Andreas Pietschmann spricht anlässlich der Ausstrahlung des ZDF-Zweiteilers "The Perfect Mother" über Familienzusammenhalt, Schicksal und seinen internationalen Durchbruch. Wie sich ein schwerer Autounfall auf sein Leben ausgewirkt hat, schildert er im Interview.

Sein Blick ist ebenso durchdringend wie die Darstellung seiner Charaktere, und mit jedem Jahr mehr an Lebenserfahrung scheint Schauspieler Andreas Pietschmann seine Rollen noch intensiver auszufüllen. Zuletzt überzeugte der 53-Jährige in dem weltweiten Netflix-Hit "Dark" nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Macher der Serie, Jantje Friese und Baran bo Odar, die ihn prompt für ihr nächstes Mystery-Spektakel auf hoher See engagierten: In "1899" (Start: November 2022) spielt Pietschmann den Kapitän eines Auswanderer-Schiffs. Durch "Dark" wurde unter anderem auch eine französische Agentur auf den gebürtigen Würzburger aufmerksam und besetzte ihn als Partner der "Perfect Mother" in der gleichnamigen deutsch-französischen Koproduktion. Den hochspannenden Zweiteiler zeigt das ZDF an den Sonntagen, 25. September und 2. Oktober, jeweils um 22.15 Uhr. Pietschmann spielt einen Vater, der zu spät merkt, dass es in seiner Familie einige Geheimnisse gibt. Wie Andreas Pietschmann sich an der Seite seiner langjährigen Lebensgefährtin Jasmin Tabatabai als Papa schlägt und ob er an Vorbestimmung glaubt, verrät er im Interview.

teleschau: Sie spielen einen Ehemann und Vater, der irgendwann merkt, zu wenig präsent gewesen zu sein in seiner Familie. Haben Sie sich bei den Dreharbeiten gedacht, dass Sie manchmal auch mehr zu Hause sein müssten?

Andreas Pietschmann: Ich habe es auf jeden Fall als eine Lehre empfunden: Man muss kontinuierlich arbeiten am Familienleben und darf es nicht als Selbstläufer sehen. Es ist wichtig, dass die Kinder einem genügend vertrauen, um sich mit Sorgen an einen zu wenden. Allerdings bin ich deutlich mehr zu Hause als Matthias im Film, der als erfolgreicher Chirurg in Berlin öfter in der Klinik ist als bei seiner Familie.

teleschau: Und dadurch ist ihm lange nicht aufgefallen, dass es in seiner Familie einige Geheimnisse gibt ...

Pietschmann: Genau. Durch Abwesenheit und fehlende Achtsamkeit findet nicht mehr genügend Austausch statt. Das Vertrauen verschwindet, Probleme schleichen sich ein. Matthias dachte, er habe eine perfekte Familie und sah lange nicht, dass ihm vieles entgeht. Er und seine Frau merken, dass sie mehr und anders für ihre Kinder hätten da sein müssen und dass diese das Vertrauen verloren haben. Das möchte ich nie erleben!

teleschau: Um das zu gewährleisten, müssen Eltern auch mal zurückstecken im Beruf. Sie und Ihre Lebenspartnerin Jasmin Tabatabai leben schon lange in einer gleichberechtigten Partnerschaft. Das heißt, einer von beiden ist stets zu Hause für die drei Kinder da?

Pietschmann: Ja, vor allem, solange die Kinder noch klein sind. Man muss als Paar gemeinsam Verantwortung für die Beziehung und die Familie übernehmen und sich zusammen um die Kinder kümmern. Das bedeutet dann eben manchmal auch Verzicht, was die Selbstverwirklichung im Beruf angeht, wenn der Partner gerade dreht. Wenn beide dieses Grundverständnis haben, dann funktioniert es auch!

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"Ich bin schneller erwachsen geworden"

teleschau: Es hat sich ja glücklicherweise einiges in dem Verständnis der Rollenverteilung getan, und mittlerweile ist wohl fast jedem klar, dass Männer nicht nur Familienversorger, sondern auch emotionale Stützen sein müssen.

Pietschmann: Ja. Es ist gut, dass heutzutage nicht mehr nur die klassischen Rollenmodelle gelebt werden. Viele Männer sind nicht mehr nur Versorger, sondern auch viel zu Hause bei den Kindern. Frauen gehen heute mehr arbeiten als früher - auch wenn wir noch weit von Gleichberechtigung entfernt sind. Einem Elternteil - egal, ob Mann oder Frau -, der/die sich entweder nur auf die Kinder oder eben nur auf die Arbeit konzentriert, entgeht vieles. Es ist nicht immer leicht zu organisieren, aber beide Partner können auch beides machen. Das bereichert alle Beteiligten.

teleschau: Wie hat das Vatersein Sie verändert?

Pietschmann: Ich weiß es nicht, wahrscheinlich bin ich schneller "erwachsen" geworden? Es ist natürlich ein Game-Changer, Kinder zu haben. Mann empfindet pures Glück. Man spürt aber auch eine größere Verwundbarkeit, weil man ein so großes Geschenk bekommen hat, das man beschützen möchte.

teleschau: Sind Sie ein strenger Vater?

Pietschmann: Nein, ich versuche die richtige Mischung zu finden: Ich möchte den Kindern Orientierung geben. Sie sollen sich aber zu eigenständigen Menschen entwickeln und nicht unter dem Druck stehen, den Vorstellungen der Eltern gerecht werden zu müssen.

teleschau: Ihre Tochter Helena hat bei "Letzte Spur Berlin" mitgespielt. Tritt sie in Mamas und Papas Fußstapfen?

Pietschmann: Es hat sich so ergeben, weil man eine Tochter für Jasmins Rolle gesucht hat. Das ist völlig offen. Die Kinder können machen, was sie wollen. Mal schauen, wohin die Reise geht!

"Wo will ich hin im Leben?"

teleschau: Als junger Mann war die Schauspielerei zunächst nicht ihr Karriereziel, sondern Sie galten erst als großes Fußballtalent, studierten dann in Frankreich und stellten sich erst danach auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Glauben Sie an Vorbestimmung oder eher an Selbstbestimmung?

Pietschmann: Jede persönliche Entwicklung hängt von so vielen Faktoren ab. Aber ich habe generell durchaus den Eindruck, dass ich da nicht ganz ohne Einfluss bin. Es gibt viele Möglichkeiten, selbst mitzubestimmen in meinem Leben durch Entscheidungen, Einsatz und Bereitschaft. Ich hätte auch das Gefühl, mich nur feige auf die faule Haut zu legen, wenn ich dächte: "Alles ist eh schon entschieden für mich, also muss ich nicht aktiv werden!"

teleschau: Mit 19 überlebten Sie einen schlimmen Autounfall. Hat das Ihr Leben verändert?

Pietschmann: Es hat mein Bewusstsein verändert. Ich dachte natürlich: "Puh, es hätte jetzt auch zu Ende sein können." Daraus entstand das Gefühl, eine zweite Chance geschenkt bekommen zu haben und der Wusch, sie zu nutzen. Nach dem Motto: "Es warten also noch Aufgaben auf mich." Vor allem, weil das in der Lebensphase passiert ist, in der man sich orientiert und sich fragt: Wo will ich hin im Leben? Schauspieler zu werden, kristallisierte sich später immer mehr heraus und wurde zu meinem Beruf, den ich zum Glück bis heute betreiben darf - mit viel Freude.

teleschau: Ihre Fans sind auch froh, dass Sie nicht Fußballer, sondern Schauspieler geworden sind. Und es könnte nicht besser laufen: Neben zahlreichen nationalen TV-Rollen, kommen immer mehr internationale Projekte auf Ihren Tisch. Was hat sich durch "Dark" verändert?

Pietschmann: Vieles ist jetzt leichter! "Dark" hatte eine sehr große Aufmerksamkeit. Im Ausland vielleicht noch mehr als in Deutschland. Das hat sicher einige Türen für mich geöffnet, die vorher verschlossen waren. Es könnte auch gut sein, dass meine Mitarbeit an "The Perfect Mother" gar nicht zustande gekommen wäre, wenn "Dark" nicht gewesen wäre. Die Verantwortlichen des Mehrteilers in Frankreich haben gesagt: "Ah, das ist doch der aus 'Dark', lass uns den mal anschauen!" (lacht) Ich spüre auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit. Aber: In unserem Beruf geht es mal auf und mal ab. Man hat oft gar nicht viel Einfluss darauf, sondern es hat auch mit Glück zu tun, mit Zeitgeist und vielem anderen. Wenn sich eine Chance bietet, muss man alles dafür tun, um sie zu nutzen. Aber man darf sich nie darauf verlassen, dass es so weitergeht, weil man nie die Sicherheit hat, dass die nächste Rolle kommt.

"Ich sehe da die Zukunft"

teleschau: Momentan steht die nächste Rolle allerdings schon fest: Die mit Spannung erwartete neue Mystery-Serie der "Dark"-Macher "1899" steht in den Startlöchern. Sie startet bei Netflix im November. Was dürfen Sie verraten?

Pietschmann: Noch nicht allzu viel! Bei den geheimnisvollen Geschichten von Jantje Friese und Baran bo Odar ist es ja wichtig und besonders reizvoll, dass der Zuschauer vorher nicht zu viel weiß, und miträtseln kann. Das Tolle an ihren Serien ist unter anderem, dass sie die Zuschauer auch fordern. Man kann so schön zu Hause mitdenken.

teleschau: Sie spielen eine der Hauptrollen in dem historischen Action-Drama, einen deutschen Kapitän, der ein Auswandererschiff von England nach New York steuern soll. Doch die Reise läuft anders als geplant, oder?

Pietschmann: Ja, richtig! Es passieren unerwartete Dinge, die das Leben aller verändern. Wir treffen auf ein anderes Schiff, das führerlos im Ozean treibt.

teleschau: Die Serie ist eine deutsche Produktion für Netflix - im Gegensatz zu "Dark" aber mit internationaler Besetzung.

Pietschmann: Auf dem Schiff befinden sich Menschen verschiedener Nationalitäten aus ganz Europa. Jeder spricht eine andere Sprache, und doch müssen alle miteinander klarkommen. Das Schiff wird so zu einem Schmelztiegel der Kulturen. Obwohl die Serie 1899 spielt, passt sie gut in unsere heutige Zeit, denn der Mikrokosmos auf dem Schiff spiegelt gut das Europa, in dem wir heute leben, wider. Das Schöne bei der Arbeit an 1899 ist: Hier liegt der Fokus auf dem, was unterschiedliche Menschen und Nationen eint, was sie gemeinsam erschaffen können, ohne Unterschiede auszublenden! Es ist wichtig, dass jeder bereit ist, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

teleschau: Also zu schauen, was wir von anderen Nationen lernen können?

Pietschmann: Ja, genau! Welche Impulse können mir andere geben? Was machen andere anders? Und warum? Mir gefällt diese Herangehensweise, die verschiedensten Menschen mit einer internationalen Besetzung und einem internationalen Team zusammenzubringen. Dabei lerne ich so viel. Man inspiriert sich gegenseitig! Ich sehe da die Zukunft.

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