"Greenland"

Amerikanische Apokalypse

19.10.2020 von SWYRL/Sven Hauberg

Endlich wieder ein Blockbuster: Der Katastrophenthriller "Greenland", der in den USA nur über eine Streamingplattform veröffentlicht wird, kommt in Deutschland überraschend ins Kino.

Man mag von Krawall-Darsteller Gerard Butler halten, was man will. Aber wie ihm in "Greenland" immer wieder die Gesichtszüge entgleisen, das ist schon großes Kino. Ziemlich am Anfang von Ric Roman Waughs Katastrophenfilm steht John Garrity, die von Butler gespielte Hauptfigur, mit seiner Familie vorm Fernseher. Während alle Sender live übertragen, wie ein Komet der Erde entgegenrast und kleine Brocken in der Atmosphäre verglühen, mampft Johns amerikanische Mittelschichtfamilie genüsslich ihr Popcorn. Ein harmloses Himmelsspektakel, mehr nicht. Dann aber stürzt ein riesiger Brocken nicht wie erwartet ins Meer, sondern auf eine Großstadt in Florida. Hunderttausende sterben im Flammeninferno, und vorm heimischen Fernseher legt man das Popcorn beiseite und blickt sich schockiert in die Augen.

Der Komet wird die Erde mitnichten als telegener Funkenregen passieren. Kleine Bruchstücke werden überall einschlagen und Städte zerstören, in zwei Tagen wird dann ein riesiger Brocken die Erde treffen, größer als jener, der einst die Dinosaurier auslöschte. Alle haben sie sich getäuscht, die Wissenschaft, die Politik, die Medien.

"Greenland" ist einerseits ein sehr konventioneller Katastrophenfilm, in der Tradition von "Deep Impact" und "The Day After Tomorrow" etwa. Die dräuende Apokalypse, die Regisseur Waugh in beeindruckenden Katastrophenvignetten zeigt, ist aber nur der Hintergrund für sehr menschliche Dramen. John, seine Frau Allison (Morena Baccarin) und der siebenjährige Sohn Nathan (Roger Dale Floyd) wurden ausgewählt, sich in einen Schutzbunker zu begeben. Warum ausgerechnet sie vorm sichereren Kometentod bewahrt werden sollen, wissen sie zunächst nicht. Und das ruft natürlich Begehrlichkeiten auf den Plan, von Freunden und Nachbarn und Wildfremden.

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Die Katastrophe ist global, das Leid amerikanisch

Die Familie macht sich also auf den Weg zu einer Militärbasis, von wo aus sie in geheime Bunkeranlagen auf Grönland gebracht werden soll. Doch im letzten Moment verweigert man ihnen den Flug. Denn Sohn Nathan ist Diabetiker - und kranke Menschen will man nicht dabei haben, wenn nach der Apokalypse eine neue Gesellschaft gegründet werden soll. Also versuchten John und seine Familie, Grönland auf eigene Faust zu erreichen. Irgendwo in Kanada, so heißt es, würden wagemutige Piloten versuchen, die Insel auf eigene Faust zu erreichen.

Doch bis nach Kanada ist es ein weiter Weg. Und vor allem ein feindseliger. Denn fast noch größer als die Gefahr, die durch den Kometen ausgeht, ist die Gefahr durch den Menschen. Die Menschen plündern, sind bis an die Zähne bewaffnet. Verschwörungstheorien machen die Runde. Kommt einem irgendwie bekannt vor ...

Regisseur Ric Roman Waugh, der zuletzt mit Gerard Butler "Angel Has Fallen" gedreht hat, inszeniert die Flucht seiner Protagonisten als atemloses, hoch spannendes Rennen gegen die Zeit - und gegen eine herzlose Bürokratie, die nur jene Menschen weiterleben lässt, die den richtigen QR-Code auf dem Handy haben. Ohne das richtige Formular geht selbst im Angesicht der Katastrophe nichts. Das Misstrauen gegen den amerikanischen Staat ist hier mit Händen zu greifen. Das macht "Greenland" sehr aktuell und fast zu einer Parabel auf die Zustände in den USA im Jahr 2020.

Während alle Dämme brechen, die zivilisatorischen und die gesellschaftlichen, werden immer mehr Städte weltweit ausgelöscht. Man sieht das in kurzen, aus der Ferne gedrehten Fernsehbildern und an den Zahlen der Opfer, die über die Nachrichtenticker laufen. Mexiko Stadt, Paris, Tokio - alles in Trümmern. Die Katastrophe ist global, das Leid in diesem Film aber rein amerikanisch. Und da ist "Greenland" - ein Film, der fast vollständig ohne Roland-Emmerich-Pathos auskommt - dann doch wieder sehr nah an dem, was man vom US-Katastrophenkino so kennt.

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