13.09.2024 von SWYRL/Eric Leimann
Das klassische Fernsehen versucht sich am Gruselgenre, auch wenn der WDR seine Geisterjäger um Rosalie Thomass in der neuen Filmreihe "Wäldern" unter dem Namen "Mystery" antreten lässt. Es geht um verschwundene Kinder in einer kleinen Gemeinde des Bergischen Lands.
Irgendwie scheint Musiklehrerin Lara Glanz (Rosalie Thomass) in Wäldern zu stören. Damit ist nicht der Deutschen klassischer liebster Sehnsuchtsort gemeint, sondern eine fiktive Gemeinde namens Wäldern im nicht ganz so fiktiven Bergischen Land. Lara, die ihre Schüler mit der Kunst der Fuge und anderer anspruchsvoller Musik aus Überzeugung quält, ist in ihre enge Heimat zurückgekehrt. Dort ist vor geraumer Zeit ihre 14-jährige Nichte verschwunden. Magda war während eines Ausflugs der Kirchengemeinde nach einer Kletterpartie auf Waldfelsen plötzlich nicht mehr da. Dafür kann man den Aufenthaltsort ihrer Mutter umso genauer bestimmen. Greta (Narges Rashidi), Adoptivschwester von Lara, sitzt wegen einer Tat, die anfangs noch geheim bleibt, im Knast. Dort wird sie im Film "Wäldern - Das verschwundene Mädchen" von ihrer Schwester besucht, um über Gretas Verschwinden zu sprechen. Regisseur und Co-Autor Till Franzen ("Weinberg") erschuf im Auftrag des WDR eine Mystery-Filmreihe, deren zweite Episode "Wäldern - Das Böse in den Spiegeln" am Freitag, 20.9., um 22.20 Uhr, folgt. In der Mediathek findet man beide Filme bereits ab Mittwoch, 11. September.
Weil Lara spürt, dass ihre Nichte Magda immer noch da ist, obwohl es schon lange kein Lebenszeichen mehr von dem Mädchen gab, stellt sie der Verschwundenen täglich Essen an die Felsen im Wald - obwohl ihre Schwester mit dem Tod der Tochter am liebsten abschließen würde. Doch Lara spürt Dinge, die andere nicht spüren. Vielleicht, weil sie als Kind auch mal für kurze Zeit verschwunden war, sich daran aber kaum erinnern kann? Bei ihren Nachforschungen zu den sich in Wäldern wiederholenden Fällen verschwundener Kinder erfährt Lara Unterstützung: Die esoterisch begabte Hypnotiseurin Dorothea Freiberg (Sabine Vitua) und der alte Professor Rudolf Klein (Peter Franke), helfen. Gemeinsam ist das Trio, das auch im zweiten Film weiter wirkt, fast so etwas wie das Ghostbuster-Team aus dem Westerwald, wenn auch mit deutlich weniger Humor unterwegs. Dabei ist dem 83-jährigen Altstar Peter Franke ("Tatort: Flash") mit dem vom Leben gezeichneten, halb verrückten Experten für satanische Verse und obskure Sprachen eine bemerkenswert gute Figur gelungen.
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Früher "Weinberg", heute "Wäldern"
Regisseur und Co-Autor Till Franzen, übrigens der Ehemann von Schauspielerin Katharina Schüttler, hat mit der TNT-Serie "Weinberg" bereits vor fast einer Dekade in deutsche Mystery investiert. Was einen Grimme-Preis sowie eine Nominierung zum Deutschen Fernsehpreis zur Folge hatte und 2015 durchaus ein Avantgarde-Projekt des deutschen Fernsehens darstellte. Nun scheint die Realisierung solcher Genre-Stoffe auch hierzulande leichter geworden zu sein. In Serien wie "Oderbruch" (ARD) oder "Was wir fürchten" (ZDF) gab sich das Öffentlich-Rechtliche zuletzt ungehemmter als früher dem Grauen und Gruseln hin.
Dennoch sollte man zwei Dinge klarstellen, die bei "Wäldern" vom Ersten etwas missverständlich kommuniziert werden: Es handelt es sich nicht um eine Mystery-Filmreihe, sondern um eine Gruselserie in einem bisher zweimal 90 Minuten umfassenden Format, das die fortlaufende Handlung jedoch keineswegs abschließt. Es muss also weitergehen mit "Wäldern", will man Zuschauerinnen und Zuschauer auch ein vernünftiges Ende der Erzählstränge präsentieren.
Rosalie Thomass überzeugt zu 100 Prozent
Bleibt noch die Bewertung der Qualität: "Wäldern" erfindet das Genre nicht neu, sondern stützt sich fast ein bisschen zu sehr auf altbewährte Elemente: dunkle Wälder und heruntergekommene "Lost Places", Kinder, die verschwinden und wieder auftauchen, dann aber seltsam verändert wirken. Schließlich auch ein paar "Jump Scares" mit gruseligen Gestalten wie der Kassandra-artigen Obdachlosen (Helma Fries), die plötzlich mit irren Augen die Protagonistin im Wald oder der Toilette (was für ein Horror!) begegnet.
Auch die Dialoge wirken manchmal ein bisschen zu sehr von der Mystery-Stange. Das Schauspiel-Ensemble, das diese Schauermär aus dem Bergischen Land überzeugend rüberbringt, muss man allerdings loben: Rosalie Thomass ("Die Känguru-Verschwörung") macht hier mal wieder einen prima Job. Die 37-jährige Münchnerin überzeugt zu 100 Prozent - auch mit individueller Garderobe - als sensible, aber kämpferische Einzelgängerin auf unsicherem Terrain mit vielen seltsamen Menschen. Haben wir uns nicht schon immer ein wenig vor dem Landleben gegruselt?