Gendern: Pro oder Contra?
Er ist eine der lautesten und prominentesten Stimmen, die sich gegen eine geschlechtergerechte Sprache wenden: Als Dieter Hallervorden das Gendern als Vergewaltigung der deutschen Sprache bezeichnete, musste der Schauspieler reichlich Kritik einstecken. Und er ist nicht der einzige Promi, der eine explizite Meinung zu diesem Reizthema hat ...
© Tristar Media/Getty ImagesMonika Maron
Ob ein Sternchen mitten im Wort oder Begriffe wie "Radfahrende" für Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache sorgen können, ist auch unter Germanisten und Schriftstellern umstritten. Das zeigte sich 2019, als der "Verein Deutsche Sprache" eine Unterschriftenaktion "Schluss mit dem Gender-Unfug" startete. Der von Autorin Monika Maron (Bild) mitverfasste Aufruf erfuhr Zustimmung, aber auch Ablehnung von Fachleuten.
© Ulrich Baumgarten via Getty ImagesWolf Schneider
Den "Aufruf zum Widerstand" verfasste der renommierte Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider (Bild) mit:
Er und seine Mitstreiter erklärten darin, dass es zwischen dem biologischen und dem grammatischen Geschlecht "absolut keinen festen Zusammenhang" gebe. Geschlechtergerechte Sprache erzeuge "eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde" wie "die Radfahrenden" und "die Studierenden".
© Marcus Brandt / AFP via Getty Images Peter Hahne
Der Aufruf fand prominente Unterstützer: Zu den Erstunterzeichnern gehörten Moderator Peter Hahne (Bild), die Kabarettisten Dieter Nuhr und Dieter Hallervorden, Ex-"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, Bestsellerautor Bastian Sick sowie 14 Professorinnen und Professoren für Germanistik und Sprachwissenschaften.
© Marc Pfitzenreuter/Getty ImagesDieter Nuhr
Er geht kaum einer Kontroverse aus dem Weg: Kabarettist Dieter Nuhr positionierte sich schon früh und lautstark gegen das Gendern - nicht nur in seinen Kabarettprogrammen: "Ich habe noch kein einziges Argument dafür gehört, dass, wenn ich ein '-innen' anfüge, dies die Stellung von Frauen oder Trans-Personen in der Gesellschaft ändern würde", sagte er 2020 in einem Interview.
© rbb / Thomas ErnstDieter Nuhr
Für Nuhr ist Gendern "ideologischer Krempel", der sich gegen den Willen der Mehrheit durchgesetzt habe - auch in den Medien, wie er in seinem ARD-Jahresrückblick 2021 kritisierte: "Kaum noch eine Sendung im Fernsehen, in der nicht durch einen Schluckauf der Sprecherinnen demonstriert würde, dass man gesinnungstechnisch auf der Seite des Fortschritts ist. Und nicht aufseiten des dummen Publikums, dem das mehrheitlich auf den Sack geht."
© Sascha Steinbach/Getty ImagesDieter Hallervorden
Wie Dieter Nuhr gehörte auch Dieter Hallervorden zu den ersten Prominenten, die sich gegen den "Gender-Unfug" wandten: Zuletzt veröffentlichte er mit "80 plus" ein neues Album, auf dem es ebenfalls ein Lied gegen das Gendern gibt: "Beim Gendern tun mir Mutter- und Vatersprache leid", singt der Schauspieler und Kabarettist dort.
© Dirk DehmelIngo Appelt
Noch ein Kabarettist, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält: Von der Berliner "B.Z." in einem Interview zu seiner Meinung zum Gendern befragt, antwortete Ingo Appelt: "Hör mir auf damit, das ist doch furchtbar, das ist alles so eine akademische abgehobene Kacke! Natürlich hat es seinen Sinn, aber der ganze Hass kommt auch nicht aus dem Sprechen, sondern vom Schreiben."
© Tristar Media/Getty ImagesH. P. Baxxter
Ähnlich drastisch äußerte sich Scooter-Frontmann H.P. Baxxter: "Gendern finde ich zum Kotzen!", schimpfte er in einem Interview mit der "Radio Hamburg"-Morningshow. "Das hat ja nichts damit zu tun, dass man Frauen akzeptiert, es ist einfach nur eine Verunglimpfung der Sprache und sagt nichts weiter aus", sagte der Musiker.
© Matthias Nareyek/Getty Images for IMGElke Heidenreich
Literaturkritikerin Elke Heidenreich redete sich im Oktober 2021 bei "Markus Lanz" in Rage: "Gendern ist für mich völlig unsinnig", schimpfte sie: "Jeder will unbedingt in jedem Satz mitgenannt und beachtet sein. Eine einbeinige, chinesische Taubstumme mit Migrationshintergrund, die gerade zum Protestantismus konvertiert ist, fühlt sich nicht angesprochen, wenn ich irgendwie über Protestanten rede. Ich werde noch verrückt."
© Joshua Sammer/Getty ImagesRichard David Precht
"Ich finde es selbstverständlich gut und richtig, Frauen völlig gleichberechtigt zu behandeln", sagte Philosoph und Moderator Richard David Precht im Interview mit der "Welt": Mit dem Gendern habe man aber "auf das falsche Pferd gesetzt und versucht, einen toten Gaul durch das Ziel zu reiten. Weil die Linke nicht mehr daran glaubt, dass man die Welt besser machen kann, versucht sie, die Sprache besser zu machen."
© Ulrich Baumgarten via Getty ImagesJürgen von der Lippe
Zuletzt positionierte sich Moderator Jürgen von der Lippe zum Thema Gendern: "Ich möchte mir nicht aufzwingen lassen, so zu reden wie eine kleine Gruppe von Menschen, die glauben, den Stein der Weisen zur Verbesserung der Gesellschaft gefunden zu haben", sagte er dem "Spiegel", "Die Leute sind es leid. Doppelpunkte und Sternchen machen die Welt kein bisschen besser."
© Andreas Rentz/Getty ImagesPeter Maffay
Auch Peter Maffay kritisierte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau die "Hysterie" beim Thema Gendern: Er selbst wolle nicht, "dass Leute mir vorschreiben, wie ich mich auszudrücken habe", sagte der Musiker. Zudem verbessere sich das Verhalten der Menschen untereinander nicht "durch irgendwelche grammatischen Formulierungen. Die Werteprägung muss doch ganz woanders ansetzen - in unserer Erziehung etwa."
© Joshua Sammer/Getty ImagesHeinz Rudolf Kunze
Heinz Rudolf Kunze gilt als einer der sprachmächtigsten Songwriter des Landes, dementsprechend fällt auch seine Kritik am Gendern aus. Im Interview mit dem Portal "Schlagerprofis.de" erklärte er: "Ich finde, die deutsche Sprache verkümmert mit diesen Gendersternchen und was es da alles gibt." Und weiter: "Eine englischsprachige Sängerin würde sich nie diskriminiert fühlen, weil man sagt, 'she's a singer'."
© Tristar Media/Getty ImagesAnne Gesthuysen
Für mehr Gelassenheit beim Thema Gendern plädiert Autorin Anne Gesthuysen: "Zu sagen, die Sprache wird durchs Gendern verhunzt, finde ich total absurd", sagte die Ehefrau von Frank Plasberg im Podcast "Talk mit K" des Kölner Stadt-Anzeiger. Sie sei sich sicher, dass sich neue "gangbare" Formen durchsetzen werden: "Wir sprechen schon lange nicht mehr so, wie Goethe geschrieben hat. Sprache verändert sich."
© Isa Foltin/Getty Images for MADELEINECarolin Kebekus
Sie ist für starke und lustige Kommentare bekannt, in ihrer "Carolin Kebekus Show" ließ sie das Reizthema Gendern natürlich nicht unkommentiert: Carolin Kebekus wunderte sich dort über die Vehemenz der Debatte, so "als würde die Frage darum, ob wir gendern oder nicht, alle Probleme, die wir mit der Gleichberechtigung haben, lösen."
© Hannes Magerstaedt/Getty ImagesCarolin Kebekus
In ihrem Song "Alles wird sich gendern (Glottisschlag)" verteilte Kebekus dann verbale Ohrfeigen an Gender-Kritiker: "Friedrich Merz will es ausmerzen, es lässt ihm keine Ruh / KlötenJosef18 stimmt ihm auf Twitter zu." Auch der nächste bekam gleich im Anschluss sein Fett weg ...
© WDR/btfCarolin Kebekus
"Ihr verschandelt unsere Sprache, das ist Diktatur / Da könnt ihr jeden fragen, zumindest Dieter Nuhr." Kebekus warnte vor der "Sprachpolizei", die "die Pause vor dem I" verbanne: "Hört auf Deutschlands große - Dichter, Denker, Texter / Di- Di- Dieter Hallervorden, Precht und HP Baxxter."
© WDRPetra Gerster
Eine prominente Befürworterin ist die ehemalige ZDF-Moderatorin Petra Gerster: Gendern mache "Frauen und nicht nur Frauen, auch andere Gruppen, nicht binäre Menschen zum Beispiel, sichtbar", sagte sie bei "Maischberger". Überdies sei es ein Ausdruck des mühsamen Kampfes von Frauen um einen Platz in der Öffentlichkeit. "Es geht um Gleichberechtigung", so Gersters Fazit, die Gendern in der Sprache als "Gewöhnungsfrage" bezeichnete.
© ZDF / Rico Rossival Harald Lesch
Professor Harald Lesch widmete dem Thema eine ganze Sendung, um das Gendern wissenschaftlich aufzuarbeiten. In seiner ZDF-Sendung "Leschs Kosmos" präsentierte der Astrophysiker und Naturphilosoph Studien, die aufzeigen, dass eine gendergerechte Sprache gleichberechtigtes Verhalten fördert. Auch das Argument, Gendern mache das Gesagte schwerer verständlich, konnte er entkräften ...
© ZDF / luxlotuslinerHarald Lesch
Lesch verwies auf eine Studie, in der Probanden der Vertrag eines fiktiven Stromanbieters vorgelegt wurde, einmal gegendert, einmal im generischen Maskulinum formuliert. Das Text-Verständnis beider Vergleichsgruppen: identisch. "Man muss es schlicht anerkennen, dass es beim Gendern um mehr geht als Ideologie", schlussfolgerte Harald Lesch.
© ZDF