Friederike Becht im Interview

Eine Horrorrolle für jede Mutter

03.03.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Im ZDF-Film "Plötzlich so still" glänzt Friederike Becht als Mutter, deren Baby am Plötzlichen Kindstod verstirbt. Danach beginnt für die traumatisierte Frau ein irrer Trip - grandios verkörpert von der zweifachen Mutter Becht. Lässt sich Privates und Schauspiel bei so etwas trennen?

Friederike Becht ("Käthe Kruse") entwickelt sich immer mehr zu einer der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen. Oft lohnt es sich, einen Film nur ihretwegen anzuschauen. Auch beim ziemlich beklemmenden ZDF-Drama "Plötzlich so still" (Montag, 7. März, 20.15 Uhr) ist die Frage erlaubt, ob der Film mit einer Schauspielerin, die nicht ganz so intensiv wirkt, ebenso stark gewesen wäre. Friederike Becht, mittlerweile 34 Jahre alt, spielt Eva. Deren Baby liegt eines Morgens tot in der Wiege, während sich ihr Mann (Hanno Koffler) in den USA auf einer Fortbildung befindet. Nicht nur für Eva im Film, sondern auch für die Zuschauer sind diese 90 Minuten ein ziemlich schmerzhafter Trip, weil sie die Szenen der jungen Mutterschaft, aber auch jene nach dem Tod des Babys, intensiv zeigen und die zugehörigen Gefühle ausloten. Kein Film für zarte Gemüter - aber auch einer, der aufgrund des Spiels von Friederike Becht fasziniert und berührt.

teleschau: Sie sind selbst zweifache Mutter, ihre kleine Tochter ist vier Jahre alt. Hatten Sie emotionale Skrupel, eine solche Rolle zu übernehmen?

Friederike Becht: Die Rolle ist natürlich heftig. Und man kann - glaube ich - nichts erspielen, das man emotional von sich fern hält. Ich kann jede Schauspielerin verstehen, die diesen Part ablehnen würde. Trotzdem habe ich für mich mehr Chancen als Risiken gesehen. Ich glaube, dass ich Rollen grundsätzlich ganz gut ablegen kann, wenn die Kamera nicht mehr läuft. Wenn ich das Gefühl hätte, mich selbst oder meine Kinder durch den Dreh zu gefährden, würde ich so etwas nicht spielen.

teleschau: Wie schafft man Distanz zu einer Rolle, die eigentlich nicht auszuhalten ist? Mit Schauspiel-Technik?

Friederike Becht: Technik ist für mich ein schwer zu fassender Begriff. Vielleicht ist alles Technik. Jeder Versuch, sich eine Rolle anzueignen. Ob ich mir eine fiktive Biografie zu meiner Rolle erarbeite, ob ich echte Menschen untersuche, die so etwas tatsächlich erlebt haben oder ob ich per Atem-Meditation versuche, mir wie eine zweite Haut eine Figur überzustreifen und sie danach wieder abzulegen - es gibt viele Methoden, sich etwas zu erarbeiten. Am Ende geht es immer um Wahrhaftigkeit.

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"Wie macht man einen solchen Horror-Moment wahrhaftig?"

teleschau: Aber was ist wahrhaftig bei einem Schauspieler? Und kann der Zuschauer diese Wahrhaftigkeit auch immer erkennen?

Friederike Becht: Ich denke, Wahrhaftigkeit findet man im Moment. Alle Technik und Gedanken, die ich mir vorher zu einer Rolle gemacht habe, werden im Moment des Spielens unwichtig. Man muss sich einlassen. In die Situation der Figur und darin agieren. In diesem Film spiele ich eine Frau, die ihr Baby verliert. Wenn ich morgens im Hotelzimmer aufwache und weiß, heute muss ich eine Szene spielen, in der mein Kind stirbt, ist das kein schönes Gefühl. Doch wie macht man einen solchen Horror-Moment wahrhaftig? Ich denke, indem man sich auf ihn einlässt. Der Zuschauer entscheidet dann später für sich, ob er mir und meinem Spiel Glauben schenken möchte.

teleschau: Ein Kind zu verlieren ist für Eltern das Schlimmste, was einem im Leben passieren kann. Wie erinnern Sie sich an den Dreh der Szene im Film?

Friederike Becht: Es war klar, dass wir die Szene, in der Eva, meine Rolle, ihr totes Kind in der Wiege findet, in einer langen Einstellung am Stück filmen wollten. Eva wacht auf, findet ihr Kind, versucht es zu reanimieren und realisiert schließlich, dass es keinen Sinn mehr hat. Die Produktion hatte als zentrales Set dieses Haus angemietet, in dem das Paar mit Baby wohnt. Wir hielten uns viel in diesem Haus auf. Ich lief viel in dem Haus herum, verbrachte dort Zeit, um das Leben meiner Figur zu erspüren. Beim Dreh war dann auch fast ein gesamter Tag Zeit für diese eine Szene.

teleschau: Es gibt zwei Babys, die ziemlich viele Szenen in diesem Film bestreiten. Wer stellt seine kleinen Kinder für einen solchen Film zu Verfügung?

Friederike Becht: Es war tatsächlich schwer, Kinder zu finden. Ich weiß, dass bis kurz vor Drehbeginn gesucht wurde. Wir suchten zwei Zwillingspaare, da die Kinder in unterschiedlichen Altersphasen zu sehen sind. Für einige Szenen brauchten wir sechs bis sieben Wochen alte Kinder, um am Anfang des Films das Alltagsleben Evas mit ihrem Baby zu zeigen. Die beiden anderen Babys mussten um die drei Monate alt sein. Das ging über Rundschreiben, Casting-Agenturen. Die Produktion suchte sogar nach Kontakten über Krankenhäuser. Es war, wie gesagt, nicht einfach.

"Es wurde eine Brust gebaut, die ich mir angezogen habe"

teleschau: Inwiefern ist ein Filmdreh, bei dem in den meisten Szenen ein Baby mitspielt, anders?

Friederike Becht: Es kommt sehr auf eine gute Atmosphäre und den richtigen Moment an. Wir hatten in dem Filmhaus einen Raum, der war nur für das jeweilige Baby und seine Mutter reserviert. Wir achteten am Set auf eine sehr ruhige Atmosphäre. Alle wussten, dass wir leise, konzentriert und harmonisch arbeiten wollten, um den Kindern ein angenehmes Umfeld zu schaffen. Es hat recht gut funktioniert - und sich auch positiv auf die Stimmung der Erwachsenen ausgewirkt (lacht).

teleschau: Hatte man Angst, ob die Babys Sie als Mutter annehmen würden?

Friederike Becht: Man konnte sich zumindest nicht sicher sein. Wir haben es versucht, indem wir Eltern und Kinder mit viel Zeit kennen gelernt haben und mit den Babys auch ein bisschen "Bounding" betrieben haben. Es war wichtig, dass alle ein gutes Gefühl mit dem Dreh hatten. Niemand würde sein Baby irgendwelchen Verrückten in die Hand geben, die einen Film drehen wollen. Es war auf jeden Fall ein sensibles Projekt. Man wusste ja auch nicht, wie unsere Babys auf das große Filmteam oder auf das künstliche Licht reagieren würden. Im Großen und Ganzen hat aber alles wunderbar funktioniert. Auch wenn man gemerkt hat, dass die Kinder unterschiedlich auf die Situation reagierten ...

teleschau: Wie denn?

Friederike Becht: Eines der Mädchen wollte immer lieber schnell zu Mama zurück, wenn sie bei mir auf dem Arm war, um eine Szene zu drehen. Ihre Schwester hingegen hatte richtig Spaß an der Situation. Sie hat den Dreh richtig genossen. Es ist verrückt, wie unterschiedlich Menschen schon in diesem Alter auf ähnliche Reize oder Situationen reagieren.

teleschau: Es gibt eine sehr intime Stillszene in dem Film. Wie haben Sie die realisiert?

Friederike Becht: Ja, das war interessant! Da ich ja keinen Säugling und folglich auch keine Milch hatte, wurde eine Brust gebaut, die ich mir angezogen habe (lacht), und aus der tatsächlich auch Milch kam. Ich glaube, es war Flaschenmilch - da die Filmbabys auch Flaschenkinder waren, ging das. Es war wirklich verrückt, den Babys am eigenen Körper beim Trinken zuzusehen. Es waren Blicke, die man als Mutter kennt. Sie ähnelten den Blicken des eigenen Kindes doch sehr stark. Man bekommt in diesem Moment sehr viel Dankbarkeit geschenkt. Vor allem hinterher geben die Babys einem zu verstehen: "Danke, das war lecker!". Es war auf jeden Fall eine besondere Erfahrung, diese Szene zu drehen. Ein richtiges Erfolgserlebnis! (lacht).

"Angeboren ist Angst nicht, denke ich"

teleschau: Sie haben zwei eigene Kinder, vier und acht Jahre alt. Wir ängstlich sind Sie als Mutter?

Friederike Becht: Jede Mutter hat natürlich auch mal Angst um die Kinder. Trotzdem halten sich meine Ängste in Grenzen. Vielleicht, weil ich der Überzeugung bin, dass unsere Aufgabe als Eltern und Kinder die Abnabelung voneinander und das Selbstständig-werden sind.

teleschau: Das eine ist die Vernunft, das andere sind die Gefühle ...

Friederike Becht: Klar. Grundsätzlich denke ich schon, dass ich eine vorsichtige, aber auch eine entspannte Mutter bin. Als Stadtbewohnerin verbringe ich viel Zeit damit, den Kindern zu erklären, wie sie sich im Verkehr verhalten müssen. Andererseits dürfen die auch mal schnell zum Kiosk direkt um die Ecke gehen und sich etwas holen. Unser Großer darf auch schon mal alleine auf den Spielplatz, außerdem fährt er alleine zur Schule. Gefahren gibt es überall. Trotzdem man muss lernen, den Kindern zu vertrauen.

teleschau: Ist es angeboren, ob man als Mutter oder Vater ängstlich oder vertrauensvoll ist?

Friederike Becht: Ich glaube, dass wenn jemand als Kind selbst schlechte Erfahrungen gemacht hat, diese natürlich hochkommen, wenn man als Erwachsener selbst Kinder hat. Vor allem, wenn man die Ängste von damals nie richtig verarbeitet hat. Auch die Umstände, in denen man lebt, machen Menschen mehr oder weniger ängstlich. Angeboren ist Angst nicht, denke ich.

teleschau: Kann man als kinderlose Schauspielerin ebenso gut eine Mutter spielen wie eine Schauspielerin, die diese Erfahrung kennt?

Friederike Becht: Erfahrungsschatz hilft immer bei der Arbeit. Allerdings sind wir Schauspieler und können im Prinzip alles spielen. So nehme ich unseren Beruf wahr. Wir können ganz viel herausfinden über Menschen, auch wenn wir mit ihren konkreten Erlebnissen wenig oder keine Erfahrung haben. Ich bin mir sicher, dass auch kinderlose Schauspielerinnen tolle Mütter spielen können - und die Filmgeschichte hat das auch schon längst bewiesen.

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