Und draußen die Nacht - Mi. 15.03. - ARTE: 21.55 Uhr

Eine italienische Tragödie

07.03.2023 von SWYRL/Wilfried Geldner

Inmitten großer politischer Wirren entführten am 16. März 1978 Mitglieder der linksterroristischen Roten Brigaden (Brigate Rosse) in Rom Aldo Moro, den Vorsitzenden der Democrazia Cristiana, und richteten ihn später hin. Die sechsteilige Serie des Altmeisters Marco Bellocchio läuft bei ARTE in Erstausstrahlung.

Das Programm kommt rechzeitig zum Jahrestag: Am 16. März 1978 überfielen in Rom Mitglieder der linksterroristischen Roten Brigaden Aldo Moro, den Vorsitzenden der Democrazia Cristiana, in seinem Wagen. Vier Mitarbeiter und der Chauffeur wurden erschossen, er selbst überlebte und wurde in einem eigens gezimmerten Verlies in einer Wohnung der Terroristen gefangen gehalten. Weil sich die Staatsregierung nicht erweichen ließ, gleichgesinnte Gefangene freizulassen, wurde Moro 55 Tage später erschossen. Es war das Ende einer von Blutspuren gekennzeichneten Utopie. Bei der Entführung Hanns Martin Schleyers hatte Deutschland nur wenige Monate zuvor ganz Ähnliches erlebt. In der sechsteiligen ARTE-Serie "Und draußen die Nacht" ("Esterno Notte", RAI / ARTE France, ab 8. März auch in der Mediathek) erzählt Marco Bellocchio den Fall Aldo Moro mit künstlerischer Freiheit und aus persönlicher Sicht.

Es ist nicht die erste Verfilmung des Dramas um den ermordeten italienischen Politiker, der mit einem "historischen Kompromiss" ("Compromesso storico") die politische Wirrnis in Italien zwischen Bombenanschlägen, Morden und wirtschaftlichem Niedergang beenden wollte. Moro wurde auf dem Weg zu einer entscheidenden Abstimmung im Parlament entführt. Am selben Tag sollte die kommunistische Partei als Koalitionspartner gewonnen werden.

Der 83-jährige Bellocchio selbst hat mit "Bongiorno, notte - Der Fall Aldo Moro" bereits 2003 einen Film über die Staatsaffäre gedreht. Damals wie heute sind in den authentischen Fall subjektive Traumsequenzen eingewebt, die es dem Publikum nicht unbedingt leichter machen, die ansonsten chronologisch erzählte Tragödie in sechs Teilen zu verfolgen.

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Moro lebt!

Er zeige die Wirklichkeit, wie sie ist, aber eben auch, wie sie sein könnte, sagt der Regie-Zeitgenosse von Bernardo Bertolucci und Pier Paolo Pasolini. Diesmal feiern die fehlgeleiteten Kommunisten am Ende zwar kein Fest. Aber die zurückgebliebenen Staatspolitiker fragen sich immerhin, wer wohl alles wisse, dass Moro lebt: der Papst, die Amerikaner? Ängste bis hin zum Verfolgungswahn spielen in der Serie immer wieder mit.

Aldo Moro selbst (von Fabrizio Gifuni überzeugend gespielt) ist ein Idealist und Träumer, der die Welt befrieden will und seine Hand den Kommunisten reicht. Sein Parteifreund, der Innenminister Francesco Cossiga (Fausto Russo Alesi) dagegen wird von traumatischen Obsessionen geplagt und ist mit der Organisation der eingeleiteten tausendfachen Großfahndung völlig überfordert. Dabei tritt allerdings zurück, dass hinter dieser Erfolglosigkeit die Missgunst vieler Parteifreunde gegenüber dem "Kommunistenfreund" Aldo Moro steht.

Der Familie Moros, Frau und Kindern, aber auch der Kirche räumt Bellocchio viel Raum ein, was sicher für die psychologische Nähe der Figuren sorgt. Doch der Thrill des aufwendig inszenierten Dramas, das ohnehin um sich selber kreist, wird dadurch gehemmt. Schon früh legt sich die Regierung darin fest, den Forderungen der Terroristen nicht nachzukommen. Aber auch mit allerlei Verschwörungstheorien - waren CIA oder KGB im Hintergrund beteiligt, gossen sie Öl ins Feuer, um schließlich eine Marionette ihrer Wahl siegen zu lassen? - geht Bellocchio recht vorsichtig um. Er streift sie nur am Rande, wenn er einen amerikanischen Geheimdienstler süffisant die wohl angeborenen Spekulationslust der Italiener kommentieren lässt.

Kein Thriller, eher ein politisches Kammerspiel

Ein Thriller ist das alles nicht, dazu sind die historischen Vorgänge doch zu bekannt. Großartig der jeweilige Vorspann mit seiner nervös zuckenden Tarantella. Insgesamt tendiert die Serie eher zum psychologischen Kammerspiel, in dessen Mittelpunkt das zweifache Opfer von Terror und den Politikern aus den eigenen Reihen steht. Aber auch die Straßen und Plätze, die Silhouette Roms wirken mit, die grün-weiß-roten wehenden Fahnen spielen dabei allerdings eine recht aufdringliche Rolle.

"Die Flagge hat sich verwickelt", sagt der Innenminister mit traurigem Ton und entwirrt sehr langsam die verknotete Staatsfahne vorm Balkon. Schöner kann man die Verwirrung Italiens in den Siebzigern kaum fassen.

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