27.11.2024 von SWYRL/Eric Leimann
Falke (Wotan Wilke Möhring) versucht im "Tatort: Schweigen", den Tod seiner Kollegin Grosz im Kloster zu verarbeiten. Dort stirbt ein Pfarrer beim Brand seines Wohnwagens. Erste Ermittlungen ergeben: Der Geistliche trainierte die Jungs-Fußballmannschaft des Ortes nicht nur aus Liebe zum Spiel.
Nein, keine Angst: Der Hamburger Punkrock-Kommissar Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) ist nach dem Tod seiner Kollegin Julia Grosz (in kurzen Flashback-Rückblenden: Franziska Weisz) nicht wirklich religiös geworden. Trotzdem findet man ihn zu Beginn des "Tatort: Schweigen" in einem Kloster wieder.
Dort verrichtet er einfache Handwerksarbeiten und lebt in einer kargen Mönchskammer. Offenbar brauchte der Großstadt-Bulle eine Auszeit, die nun aber zu Ende gehen soll. Seinen letzten Abend in heiligen Mauern feiert er mit dem ebenso netten wie labilen Daniel (Florian Lukas), der wie Falke vor Ort nach Antworten für sein nicht so ganz gelungenes Leben suchte. Während Falke bei der Vieraugen-Abschiedsfeier dem Schnaps zuspricht, will Daniel nüchtern bleiben. In der Nacht kommt es zum Brand eines Wohnwagens, der vor dem Kloster geparkt ist. Es war der Rückzugsraum von Pfarrer Otto (Hannes Hellmann), einem scheinbar netten älteren Herrn und Ratgeber auch für Falke. Nebenbei trainierte der katholische Priester das örtliche Jungs-Fußballteam. Ermittlungen von "Privatmann" Falke und der lokalen Kommissarin Eve Pötter (Lena Lauzemis) finden allerdings bald heraus: Pfarrer Otto hatte offenbar mit kinderpornografischem Material zu tun.
Man muss diesen ersten Wendepunkt im Drehbuch von "Tatort"-Routinier Stefan Dähnert ("Wegwerfmädchen", "Die Pfalz von oben") erwähnen, sonst kann man in keiner Weise über den Solo-Krimi des Hamburger Ermittlers Falke reden. Wobei so ganz solo ermittelt Falke nicht, zumal er auf Dienst-Auszeit nur beratend tätig ist.
Gedreht wurde der Krimi in der Abtei Mariawald, einem ehemaligen Kloster des Ordens der Trappisten nahe Heimbach in der Eifel, in Nordrhein-Westfalen. 2018 wurde das Kloster aufgelöst. Falke lernt im ländlichen Umfeld die von der Berliner Schauspielerin Lena Lauzemis großartig gezeichnete Kommissarin Pötter kennen - zurückhaltend und ein wenig spröde, zweifache Mutter und offensichtlich in einer Ehekrise befindlich. Ihr Sohn Lukas (Jakob Kraume) spielt im vom Pfarrer betreuten Fußballteam. Und dann ist da noch Domvikar Billing (Sebastian Blomberg), der vor dem Ableben des Pfarrers offenbar einen Streit mit diesem hatte. Ist die Bildersammlung des Geistlichen - deren Inhalte sich dankenswerterweise nur im Ekel auf den Gesichtern ihrer Betrachter spiegelt - die eines Einzeltäters? Wer wollte ihn zur Strecke bringen? War es Falkes neuer Freund Daniel, auf den schnell ein Verdacht fällt?
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Katholische Kirche kooperierte bei den Dreharbeiten
Regisseur Lars Kraume, der früher mal die "Tatort"-Krimis für die Ermittler seiner Heimatstadt Frankfurt - Conny Mai (Nina Kunzendorf) und Frank Steier (Joachim Król) - erdachte, wurde vom NDR engagiert, um den tatsächlich ersten "Tatort" über systematischen Missbrauch in der Katholischen Kirche zu drehen. "Die Geschichte ist leider sehr nah an der Wirklichkeit", sagt auch Hauptdarsteller Wotan Wilke Möhring über seinen neuen Krimi, der auch ein bisschen mit dem geheimnisvollen "Der Name der Rose"-Flair spielt.
Das Thema Missbrauch in der Kirche wird trotz einiger recht "exemplarischer" Figuren komplex von verschiedenen Seiten beleuchtet. Wie kann es zu massenhaftem, systematischen Missbrauch im System Kirche kommen? Warum schweigen die Opfer? Und wie rechtfertigen sich - auch vor Gott - die Täter?
In einer Szene lässt Falke eine wahre Hasstirade auf die Institution Kirche niederregnen. Da hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen, in dessen Gremien bekanntlich auch Kirchenvertreter sitzen, offenbar schon mal warm angezogen und für den Kampf gewappnet. Andererseits ist Regisseur Lars Kraume bekennender Katholik, aber auch Humanist und Aufklärer, wie er mit vielen seiner Filme ("Das schweigende Klassenzimmer", "Der Staat gegen Fritz Bauer") bewies.
Wotan Wilke Möhring, der in diesem Film eine seiner besten schauspielerischen Leistungen der Falke-Jahre abliefert, ist selbst ebenso wenig gläubig wie seine Figur. Dennoch erinnert der 57-Jährige daran, dass auch die Kirche ihren Beitrag zu diesem Film lieferte: "Ich habe großen Respekt für das Bistum, in dessen Kloster wir den 'Tatort' drehen durften. Die Verantwortlichen haben das Buch ja vorher gelesen. Mit diesem Einverständnis hat das Bistum versucht, einen wichtigen Beitrag zu leisten." Der Film orientiert sich erzählerisch an zwei aufgedeckten, wahren Fällen. Dass deren Realität ziemlich drastisch ist, macht diesen "Tatort" umso wichtiger. Gerade auch deshalb, weil er Opfer zu Wort kommen lässt.