WissenHoch2: Wikipedia – Die Schwarmoffensive - Do. 09.09. - 3sat: 20.15 Uhr

Die große Enzyklopädie für alle - oder bedenkliches Monopol?

05.09.2021 von SWYRL/Andreas Schoettl

Sie will das Wissen von allen für alle bereitstellen: die Wikipedia. Und innerhalb von nur 20 Jahren ist "Die frei Enzyklopädie", so ihre Eigenbeschreibung, zum weltweit wichtigsten Online-Nachschlagewerk geworden. Ein Dokumentarfilm beleuchtet das Phänomen Wikipedia, das durchaus auch seine Schwächen hat.

Seit nunmehr 20 Jahren steht sie online: die Wikipedia. Ziel des Mitgründers Jimmy Wales sei es gewesen, "eine frei lizenzierte und hochwertige Enzyklopädie zu schaffen und damit lexikalisches Wissen zu verbreiten". Kein Zweifel, dieses hat der US-amerikanische Internet-Unternehmer erreicht. Das Portal ist heute das weltweit führende Online-Nachschlagewerk. Enthielten früher Bücher das Wissen des Lebens, gilt das gedruckte Wort heute weitestgehend als Staub von gestern. Statt ehrbarer Enzyklopädien, die Regale füllen, gibt es nur noch die Wikipedia. Doch nicht alle sind davon angetan.

"Ist das für mich eine Katastrophe? Sind wir nun von einem Monopol abhängig?", fragt die aus Uruguay stammende Filmemacherin und Autorin Maria Teresa Curzio gleich zu Beginn ihrer aufwendig recherchierten Dokumentation über die Wissensplattform. Ihr Film "Wikipedia - Die Schwarmoffensive" ist nun im Rahmen von "WissenHoch2" bei 3sat in Erstausstrahlung zu sehen.

Tatsächlich sind die Zahlen rund um Wikipedia beeindruckend. Auf der Plattform gibt es heute mehr als 50 Millionen Artikel. Und das in rund 300 Sprachen. Allein in Deutschland wird das Lexikon pro Tag elf Millionen-mal aufgerufen. Rund um den Globus werden in einem Monat durchschnittlich 17 Millionen neue Artikel eingestellt. Somit hat das Online-Angebot alle anderen Lexika verdrängt.

In Curzios Film spricht Pavel Richter, der ehemalige Geschäftsführer von Wikimedia Deutschland, sogar von einem "Weltwunder". Er sagt: "Zum einen ist es die größte Sammlung des menschlichen Wissens, die es jemals gegeben hat. Zum anderen ist es in bisschen der Prozess, wie diese Sammlung zustande gekommen ist. Wikipedia ist völlig selbstorganisiert. Niemand hat dort irgendwas zu sagen. Es gibt keine Chefredaktion, keine Chefin. Es gibt keine vorgegebenen Regeln. Jimmy Wales, der Gründer, hat einfach eine Einladung ausgesprochen. Kommt und schreibt eine Enzyklopädie und überlegt euch selbst, wie ihr das macht. Und dieser Prozess, der ist eigentlich das wahre Weltwunder hinter Wikipedia."

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Atmosphäre manchmal sexistisch

Richter allerdings bekennt sich auch dazu, ein "Fanboy" der Wikipedia zu sein. Ausreichend Kritik an der Plattform gibt es durchaus. Curzios Film hat seine Stärken darin, wenn er aufzeigt, wie einzelne Artikel überhaupt entstehen oder wie sich um diese Beiträge sogenannte Editierkriege entfachen können. Das Ringen um einen Konsens im Wikipedia-Kosmos kann manchmal sogar ausarten. Die Französin Florence Devouard, seit Langem in der Wikipedia Foundation aktiv, beispielsweise sagt über einen immer wieder möglichen Disput unter den Autoren: "Woran liegt das? Es ist doch für alle offen. Aber es gibt viele Aggressionen und Spannungen und häufig heftigen Streit. Und manchmal ist die Atmosphäre wirklich sexistisch."

Zudem ist bekannt, dass nur ein geringer Anteil der Wikipedia-Nutzerinnen auch Autorinnen sind. Und dass davon 85 Prozent weiß und männlich sind und in Ländern der westlichen Welt leben. Mitgründer Wales selbst gibt im Film zu: "Wikipedia wird von Menschen in der ganzen Welt geschrieben. Trotzdem haben wir ein Diversitätsproblem. Wir sind überwiegend männlich." Dass sich das ändern sollte, hat Wales unlängst angekündigt. In einem Interview mit der Schweizerischen "NZZ" kündigte er unter anderem an: "Wir schauen, wie wir sicherstellen können, dass wir ein einladendes Umfeld für jeden bieten - auch im technischen Sinne. Wenn das Bearbeitungssystem nur Computer-Geeks nutzen können, dann schließt das viele Leute aus."

Im Anschluss an die Wissenschaftsdokumentation am Donnerstagabend bei 3sat diskutiert Gert Scobel ein verwandtes Thema. Ausstrahlungsbeginn seiner Wissensendung ist diesmal 21.45 Uhr. In "scobel - Aufklärung neu denken!" hat der Moderator unter anderem die Sozialpsychologin Vera King, den Soziologen Hartmut Rosa und den Philosophen Michael Hampe zu Gast. Auf der "phil.cologne", dem internationalen Festival der Philosophie in Köln, diskutierten die Beteiligten unter anderem darüber, wo die Grenzen der Aufklärung liegen könnten.

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