Herren - Fr. 18.09. - ARTE: 20.15 Uhr

Zwischen Pissoir und Paradies

11.09.2020 von SWYRL/Wilfried Geldner

Der Afrobrasilianer Ezequiel, eigentlich ein Capoeira-Kampfsportmeister, ist auf Jobsuche in Berlin. Als er sich als Fahrer bei einer "Denkmalschutzfirma" verdingen will, entpuppt sich diese als Reinigungsfirma für Pissoirs. Trotzdem beginnt ein optimistisches, antirassistisches Buddymovie-Märchen.

Als der Afrobrasilianer Ezequiel (Tyron Ricketts) bei einer Berliner "Denkmalschutz"-Firma als Fahrer landet, glaubt er zunächst an einen ehrenwerten Job. Doch die Firma, die einem Exilkubaner gehört, stellt sich als Reinigungsunternehmen für Urinale - immerhin aus dem 19. Jahrhundert! - heraus. Ezequiel, der als Capoeirameister einst eine Kampfkunstschule in Rio übernehmen wollte, hält die neue Aufgabe für rassistisch angehaucht - und möchte am liebsten wieder weg. Gut, dass er in seinem Chef, dem Afrokubaner Rynaldo, und dem gleichfalls schwarzen Kreuzberger Jason zwei Freunde findet, die ihn zu neuem Lebensmut erwecken. - Der Grimme-Preisträger Dirk Kummer ("Zuckersand", 2017) erzählt in "Herren" davon, dass eine aufrechte Haltung und viel Solidarität unter Freunden äußere rassistische Anwandlungen besiegen können.

Ezequiel, den Tyron Ricketts so zurückhaltend wie selbstsicher spielt, kämpft über weite Strecken des melancholischen Movies allerdings mit sich selbst. Ein Schwarzer in Deutschland, so glaubt er, müsse zeigen, dass er etwas gelernt hat und kann. Besonders bekommt diese Meinung Ezequiels Sohn Stevie (Pablo Grant) zu spüren. Der Vater will so gar nicht verstehen, dass er eine Lehre machen will, anstatt zu studieren. Als er dann auch noch erfährt, dass der Sohn Friseur werden will, fällt er aus allen Wolken. Es kommt zum Affront mit dem Sohn und erst recht mit seiner Frau Marta (Dalila Abdallah), die ihn ohnehin immer so temperamentvoll zu quälen versteht.

Weil Ezequiels Chef Reynaldo (Komi Mizrajim Togbonou), ein in sich ruhender Gutmensch mit Boxerfigur, ebenso wie der jüngere Jason (Nyamandi Adrian), eigentlich Hiphop-Musiker in einer Kreuzberger Band, gar so treuherzig zueinander stehen, droht die Geschichte vollends ins Onkel Tom-Genre zu kippen. Zumal die Kamera immer mal wieder in üppigen Berlin-Bildern schwelgt und in kräftiger Farbenpalette rührt. Doch Anfeindungen rassistischer Betonköpfe zwingen schließlich zur Gegenwehr und zwingen zur Gegenwehr. So wird die berliner Idylle nicht gar so groß, auch wenn zuletzt Ezequiel nochmals in Reynaldos treudeutschem Gartenzwerg-Schrebergarten erwachen und in die Sonne blinzeln muss.

Ganz offensichtlich hatte das Drehbuch von Stefanie Kremser (das sich von Warwick Collins' Romanvorlage "Herren" weit entfernt) lange vor der neuen Rassismus-Debatte eine optimistische "Black Lives Matter"-Geschichte im Sinn, eine sanfte Mutmach-Komödie ohne falschen Zorn und heftige Emphase. Die Herrentoiletten und Urinale, die es zu reinigen gilt, werden hier zu paradiesischen Traumgefilden.

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