Die Luft, die wir atmen - Mi. 02.02. - ARD: 20.15 Uhr

Skurrile Gefechte im Pflegeheim

27.01.2022 von SWYRL/Wilfried Geldner

Draußen herrscht Kälte. Drinnen im Alten- und Pflegeheim versucht man, gegen die drohende Gefühlskälte anzukämpfen. Angehörige besuchen Patienten - es sind oft letzte Besuche, gekennzeichnet von hilfloser Empathie. "Die Luft, die wir atmen" ist ein namhaft besetztes ARD-Drama.

Hunde bleiben mit ihrer Zunge am gefrorenen Wasser kleben, die Autos vor dem Alten- und Pflegeheim drehen sich auf dem Blitzeis im Kreis. Es ist kein leichtes Unterfangen, seine Angehörigen im Heim zu besuchen. Für manche ist es ohnehin ein letzter vergeblicher Besuch vor dem Sterben. Eine Tochter trifft verspätet ein und sieht sich gleich mit einer Toten konfrontiert. Andere versuchen, Trennungen zu überwinden und vielleicht die Partnerin wieder nach Hause zu holen. Oder sie wollen den dementen Vater endlich davon überzeugen, ihnen die Bankvollmacht zu übergeben. Es sind skurrile bis groteske, manchmal auch tieftraurige Momente, die das Drehbuch von Julia C. Kaiser ("Die Hannas") im TV-Film "Die Luft, die wir atmen" aneinanderreiht. Regie führte Martin Enlen.

Wie improvisiert und doch ausgefeilt wirken die teils hilflosen, teils sarkastischen Dialoge, die den Darstellern abverlangt wurden. Verzweifelt kämpft etwa Rainer Bock als Ehemann um die Gunst seiner an Parkinson leidenden Partnerin (Ruth Reinecke). Er möchte sie selber pflegen, wünscht sich noch einmal ein gemeinsames Leben. Dass er schroff abgewiesen wird, ist die Folge eines ersten Abgleitens in die Krankheit? Oder versteckt die Partnerin etwas anderes? Ein erwachsener Sohn (Thomas Loibl) wiederum sitzt schon viele Stunden am Sterbebett seiner Mutter. Die Schwester hat ihn dazu angeleitet, nun muss er da durch. Das Verhältnis zur Mutter kann nicht gut gewesen sein - nun will er endlich einmal "das letzte Wort" haben.

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Kein optimistischer Film über Demenz im Alter

Episodisch und unter ständigem Perspektivwechsel zwischen dem empathisch-routiniert agierenden Personal (Neda Rahmanian, Katja Studt) und den leidenden Heiminsassen werden die verzweifelten Annäherungsversuche der Verwandten zelebriert - nüchtern und ohne jede Rührseligkeit. Aus tristen Dialogen sprühen plötzliche Funken, der Heimbetrieb bietet ohnehin skurrile Situationen zwischen Speisesaal und Bettlägerigkeit. Das alles lässt sich nicht einfach unter dem Begriff "schwarzer Humor" zusammenfassen, dafür sind die einzelnen Szenen doch zu einfühlsam und zudem eng am Altenheim-Alltag dran.

"Die Luft, die wir atmen" ist kein optimistischer Film über Demenz und andere Leiden im Alter, wie es zuletzt einige gab. Sarkasmus, Alltagsrealismus und verdeckter Humor gehen hier eine eigenwillige Mischung ein. Der für seine ambitionierten Fernsehstücke bekannte Hessische Rundfunk lässt den Figuren ihre Geheimnisse - und zwingt Zuschauende damit umso mehr zu einer eigenen Stellungnahme.

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