Schauspieler Helgi Schmid im Interview

"Das ist die größte Krankheit unserer Gesellschaft"

08.06.2022 von SWYRL/Aylin Rauh

Schauspieler Helgi Schmid ist ab Freitag, 10. Juni, in der fünfteiligen Sitcom "How to Dad" zu sehen, wo er den Influencer-Vater Roman spielt. Im Interview spricht er über die Dreharbeiten, Erziehung und seinen Tagesablauf als Vater.

Social Media? - "Es ist jedem selbst überlassen, wie viel er zeigt und wie er damit umgeht", sagt Schauspieler Helgi Schmid kurz und bündig zu diesem Reizthema. Er habe "neulich den Begriff Aufmerksamkeitsklau gehört. Das ist die größte Krankheit unserer Gesellschaft", so Schmid - und der Mann kann sich da durchaus in Rage reden: "Wir haben durch Social Media nicht mehr die geistige Kapazität, länger als drei Minuten einen Text zu lesen!" Er selbst hat seine Prinzipien: Der 36-Jährige behält private Momente mit seiner Familie für sich und möchte diese ungern mit der Welt teilen. Immer präsenter wird der gebürtige Darmstädter hingegen in der deutschen TV- und Filmbranche, wo er schon seit 2009, nach dem Schauspielstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, mitmischt. Lange war er der klassische Vertreter aus der zweiten Reihe: Das Gesicht ist dem Publikum durchaus bekannt, der Name weniger. In populären Produktionen wie "One Night Off" (Amazon) oder "Professor T." (ZDF) spielte sich Helgi Schmid aber mehr und mehr in den Vordergrund. Im Interview spricht Helgi Schmid nun nicht nur über seinen neuen Alltag als frischgebackener Vater oder seine Zeit in der Schauspielschule, sondern auch über die Serie "How to Dad", in der Schmid neben Stars wie Vladimir Burlakov oder Nikeata Thompson eine der Hauptrollen spielt. Zu sehen ist die Produktion mit dem durchaus programmatischen Titel ab Freitag, 10. Juni, in der ARD-Mediathek.

teleschau: Herr Schmid, Sie sind seit Kurzem Vater einer kleinen Tochter. Wie stressig wurde Ihr Leben dadurch?

Helgi Schmid: Ich würde es gar nicht als stressig bezeichnen, aber seitdem ich Vater geworden bin, hat sich mein Tagesablauf geändert. Man wird ein gutes Stück weit fremdbestimmt, und als Elternteil übernimmt man automatisch eine Menge Verantwortung für sich und sein Kind. Zum gewohnten eigenen Tagesablauf kommt viel Neues hinzu: Kindergarten, Spielzeiten, Verabredungen ... - Alles Dinge, die es vorher nicht gab.

teleschau: Eine Bereicherung also?

Schmid: Klar. Mein Leben hat sich auf jeden Fall positiv verändert, weil ich nun bewusster Zeit verbringe. Ich bin auf dem Spielplatz und schaukle meine Tochter, ich baggere im Sandkasten mit oder schau ihr beim Spielen zu. Man muss da immer im Moment sein und auf das Kind aufpassen. Es ist wunderschön, finde ich, denn ich gehe sehr achtsam mit der Zeit um und bin in Ruhe bei mir.

teleschau: Klingt so, als würde man als junger Vater selbst wieder zum Kind werden ...

Helgi: Auf jeden Fall! Das einzig Hemmende ist der Blick von außen - etwas, womit sich Erwachsene heutzutage viel zu viel beschäftigen. Auch ich bin nicht frei davon und frage mich: Wie sehen mich andere von außen? Wie wirkt es, wenn ich mit meinem Kind spiele? Immerhin habe ich als Schauspieler damit Erfahrung (lacht). Ich habe mir den perfekten Papa-Beruf ausgesucht.

teleschau: Gibt es da eine konkrete Verbindung?

Schmid: Durchaus. Bestandteile meines Schauspielstudiums waren Kinderspiele. Oft habe ich mich damals auch gefragt, was das mit Schauspielerei zu tun hat. Aber es hängt sehr viel damit zusammen: Man geht beim kindlichen Spielen direkt aufeinander zu und aufeinander ein. Vielleicht fällt es mir nun deswegen leichter, mit meinem Kind auf dem Spielplatz zu spielen, als dies bei Eltern, die aus dem Büro oder einer Sitzung kommen, der Fall ist. Sie sind es gewohnt, in ihrer Maskerade zu bleiben.

teleschau: Kinderspiele würden viele nicht unbedingt mit einem Schauspielstudium in Verbindung bringen ...

Schmid: Das dachte ich anfangs auch (lacht). Bis man irgendwann begreift, worum es geht. Bei "Ochs am Berg" zum Beispiel ging es darum, eine Person genau zu beobachten und auf sie zu reagieren. Alle Antennen und Sinne scharf zu stellen. Genau das ist Schauspiel: Man begegnet einer Person in einer Szene und reagiert auf diesen Menschen, auf sein Verhalten, auf die Körpersprache. Dafür muss man wach und reaktionsschnell sein. So wie bei Kinderspielen.

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"Wenn man das einmal begriffen hat, funktioniert es ganz gut"

teleschau: Hat der Unterricht als Schauspieler einen anderen Menschen aus Ihnen gemacht?

Schmid: In gewisser Weise schon. Ich habe schon in den ersten Wochen im Unterricht gemerkt, dass wir alle mehr oder weniger damit beschäftigt sind, die Maskerade aufrechtzuerhalten - etwas, das vor allem während der Pubertät eine riesige Rolle spielt. In dieser Zeit versucht man, sein eigenes Bild zu formen. Mit diesem Bild kommt man auf die Schauspielschule, und genau das versucht man dort zu lockern. Nach einer Weile begreift man es - und man kann leichter in andere Rollen reingehen und andere Bilder von sich entwerfen. Wir sollen Bilder von uns formen, die nichts mit unserem Selbstbild aus der Pubertät zu tun haben. Das ist unser Beruf.

teleschau: Wie haben Ihre Eltern Sie erzogen?

Schmid: Meine Eltern haben mir immer alles ermöglicht, was echt toll war. Aber gleichzeitig waren sie bedacht, dass ich die Sachen, die ich mache, ernst nehme und mich anstrenge. Eine gute Mischung, wie ich im Nachhinein finde. Dadurch war ich immer fleißig, hatte aber nie das Gefühl, zu etwas gezwungen zu werden. Wenn mir irgendwas nicht gefallen hat oder ich dabei keinen Spaß hatte, musste ich das auch nicht fortführen.

teleschau: Beeinflusst die Erziehung, die Sie genossen, nun Ihr Vatersein?

Schmid: Natürlich, jeder ist auch in der Hinsicht geprägt von der Erziehung seiner Eltern. Mir persönlich ist wichtig, viel mit dem Kind zu machen, ihm Freiheiten zu geben, aber auch Grenzen zu setzen. Und möglichst auf den Kooperationswillen des Kindes zu vertrauen. Das könnte jetzt aus einem Ratgeber sein (lacht). Aber es ist wirklich so. Es ist echt erstaunlich, wie kooperativ Kinder sind, sie haben Interesse an Sachen. Und wenn sie sich mal gegen etwas wehren, ist es auch ein toller Schritt, weil sie selbst Grenzen setzen. Ein anderer Grund dafür kann auch sein, dass die existenziellen Bedürfnisse nicht befriedigt sind: mangelnder Schlaf, Durst oder Hunger. Wenn man das einmal begriffen hat, funktioniert es ganz gut.

"Ich improvisiere gerne und liebe es Improvisationstheater zu spielen"

teleschau: Roman, Ihre Rolle bei "How to Dad", ist auch die des Vaters. Wo sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Ihnen und Roman?

Schmid: Roman begegnet seiner Tochter auf Augenhöhe. Und das versuche ich auch. Was er aber nicht kann, ist, Verantwortung zu übernehmen und für das Kind mitzudenken. Manchmal stellt er dem Kind Fragen anstatt selbst eine Antwort zu finden. Roman verhält sich kindlicher als seine Tochter. Das war durchaus lustig zu spielen.

teleschau: Die Charaktere verkörpern verschiedenen Klischees. Mit Absicht?

Schmid: Die Serie fällt in das Genre Sitcom. Deswegen sind alle Charaktere etwas überzeichnet. Trotzdem steckt in allen ein wahrer Kern, es menschelt - und das macht die Serie sehr spannend. Obwohl wir mit Klischees spielen, sind die Sorgen und Nöte von allen berechtigt. Zum Beispiel Alexander (gespielt von Vladimir Burlakov, d. Red.): Er muss damit zurechtkommen, dass er nicht mehr Chef seines Unternehmens ist, sondern sich in Elternzeit befindet. Oder Berti (Patrick Güldenberg, d. Red.): einer, der alles richtig machen will. Die Themen, die durch die Figuren angesprochen werden, sind uns allen bekannt. Jeder kann in diesen Charakteren etwas für sich finden.

teleschau: Ungewöhnlich ist, dass vier Väter und nicht vier Mütter die Hauptpersonen sind ... Warum ist das in dieser Produktion so?

Schmid: Weil es ein großes Thema dieser Zeit ist: Wir wollen ja im Grunde alle, dass sich Väter daheim mehr einsetzen und es nicht mehr typisch ist, dass die Mutter zu Hause ist und der Vater arbeiten geht. Natürlich trifft man dieses Modell noch, aber es ist nicht mehr Usus in der Gesellschaft. Ich würde mir wünschen, dass es noch ausgeglichener ist. Allerdings spielen gewisse Faktoren eine große Rolle, wie ungleiche Bezahlung und Rahmenbedingungen. Wenn all das ausgeglichener wäre, würden Väter sicher öfter daheimbleiben und die Mütter arbeiten gehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir auch in einer solchen Serie Väter zeigen, die ihre Kinder zum Ballettunterricht bringen.

teleschau: Also war die Relevanz des Themas Grund für Sie ausschlaggebend?

Schmid: Schon auch - es sollte eben nicht revolutionär sein, dass Väter ihre Kinder zum Unterricht bringen, sondern ganz normal. Wirklich ausschlaggebend waren für mich aber die Drehbücher. Sie waren sehr lustig geschrieben, und als ich erfahren habe, dass Jakob Lass Regie führt, wollte ich umso mehr mitmachen. Er hat sehr viele Improvisationsfilme gemacht, das ist sein Steckenpferd. Ich improvisiere gerne und liebe es Improvisationstheater zu spielen.

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"Es ist jedem selbst überlassen, wie viel er zeigt und wie er damit umgeht"

teleschau: Wie waren die Dreharbeiten mit den Kindern?

Schmid: Das war sehr spannend. Mit Kindern kann man nicht planen, und spätestens da kam die Improvisation ins Spiel. Wir mussten mit "unseren Kindern" eine Verbindung und Vertrauen aufbauen. Es muss beim Publikum so ankommen, dass es wirklich unsere Kinder sind. Den Kindern haben wir uns sehr geöffnet, auch in den einzelnen Pausen mit ihnen gespielt oder im Vorfeld Szenen geprobt. Letztlich können wir von den Kindern beim Drehen nur profitieren. Diese Lebendigkeit und dieses Nichtverstellen färbt auf uns ab, und es entsteht eine Natürlichkeit, die man ohne die Kinder nicht gehabt hätte.

teleschau: Die Väter müssen in der Serie bei einem Vater-Kind-Tanz mitmachen. Wie waren die Tanzszenen für Sie?

Schmid: Wir hatten alle während der Schauspielschule Tanzunterricht und wissen auch, wie wir mit unserem Körper umzugehen haben. Es war aber klar, dass es bei dem Vater-Kind-Tanz nicht um die Perfektion, sondern um den Spaß geht.

teleschau: Ihre Rolle Roman ist von Beruf Influencer. Kennen Sie sich in dem Gebiet aus?

Schmid: Ja, aber nur, weil mir Influencer in meine Timeline gespült werden - nicht, weil ich selber einer bin (lacht). Ich tue mich mit Instagram etwas schwer, weil es nur dann funktioniert, wenn man private Dinge teilt. Die Momente mit meiner Familie möchte ich aber für mich behalten und nicht in die Welt hinaustragen. Ich weiß, dass ich dadurch meine Instagram-Möglichkeiten limitiere. Als der Ukraine-Konflikt losging, habe ich mich mit dem Posten besonders schwergetan. Angesichts des schlimmen Konflikts fand ich es falsch anderen Themen eine mediale Aufmerksamkeit zu geben und habe ich mich sehr zurückgehalten.

teleschau: Was halten Sie von den Menschen, die ihr ganzes Leben auf Social Media teilen?

Schmid: Es ist jedem selbst überlassen, wie viel er zeigt und wie er damit umgeht. Ich habe neulich den Begriff Aufmerksamkeitsklau gehört. Das ist die größte Krankheit unserer Gesellschaft. Wir haben durch Social Media nicht mehr die geistige Kapazität, länger als drei Minuten einen Text zu lesen, weil wir gleich weiterswipen. Oder wir sind nur fünf Minuten aufmerksam und schauen dann gleich auf unser Handy, um zu checken ob wir neue Nachrichten und Mitteilungen haben. Ein Wahnsinn.

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