Sky-Doku "Her Story"

"Grenze überschritten": Bibiana Steinhaus schildert in TV-Doku schlimmste Bundesliga-Erfahrung

09.03.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Der beste Schiedsrichter ist der, den man nicht sieht - sagt man. Schwierig bei Bibiana Steinhaus, 41, denn sie war die einzige Schiedsrichterin im deutschen Profifußball. Eine Sky-Doku beleuchtete das Leben der privat sehr zurückhaltenden Sport-Pionierin - und brachte durchaus Neues ans Licht.

Die Frau hatte und hat es nicht leicht. Auch wenn sie mittlerweile "nur noch" im Kölner Keller als Videoschiedsrichterin ihren Dienst tut: Bibiana Steinhaus polarisiert, selbst wenn sie wenig dafür kann. Beispielsweise dafür, dass sie groß, blond und weiblich ist - in der Fußball-Branche, die komplett männerdominiert ist.

Verständlich, dass sich Deutschlands einzige Bundesliga-Schiedsrichterin mit öffentlichen Auftritten und Aussagen abseits des Platzes zurückhielt. Was die mittlerweile 41-Jährige aus dem West-Harz natürlich auch zu einem Geheimnis machte. Noch mehr, als sie mit dem einst weltbesten Schiedrichter, dem Engländer Howard Webb - der übrigens auch Teil der Doku ist - eine Liebesbeziehung einging.

Nun gelang es dem Sender Sky, für seine Frauen-Porträtreihe "Her Story" Bibiana Steinhaus über mehrere Monate zu begleiten. Was erfährt man von der deutschen Fußball-Pionierin, die bislang so wenig über ihr Innenleben verriet?

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Bibiana Steinhaus: Tränen beim Gedanken an den ersten Bundesliga-Einsatz

Bibiana Steinhaus wurde am 24. März 1979 im 10.000-Einwohner-Städtchen Bad Lauterberg im Landkreis Göttingen geboren. Schon ihr Vater war Schiedsrichter. Als großes (1,81 Meter), sehr sportliches Mädchen probierte sie verschiedene Disziplinen aus. Darunter Schwimmen, Basketball und Volleyball. Auch Fußball spielte "Bibi" im heimischen Bad Lauterberg - als Libero. "Aber das Ballgefühl war nicht so das beste", heißt es in der Doku, weswegen ihr außergewöhnliches Schiedsrichter-Talent jenes war, das die junge Frau neben ihrer beruflichen Karriere als Polizeibeamtin verfolgte.

1999 wurde das Ausnahmetalent mit 20 Jahren DFB-Schiedsrichterin und pfiff Bundesligaspiele der Frauen. In der Saison 2007/08 leitete Steinhaus als erste Frau ein Spiel in der 2. Fußball-Bundesliga der Männer. Über mehrere Jahre gehörte sie dort zu den bestbewerteten Schiedsrichtern. Ihre Schiri-Premiere in der Fußball-Bundesliga war am 10. September 2017 das Spiel Hertha BSC gegen Werder Bremen.

Bibiana Steinhaus hat Tränen in den Augen, wenn sie im Film von diesem Moment erzählt. Am 30. September 2020 gab sie bekannt, ihre aktive Karriere als Schiedsrichterin im Profi-Bereich zu beenden. In der aktuellen Saison ist sie häufig im "Kölner Keller" als Video Assistant Referee in der ersten Fußball-Bundesliga tätig.

Sky-Doku "Her Story": Der Druck ist abgefallen

Mit Uli Hoeneß hat Bibiana Steinhaus immerhin einen echten Fußball-Macho überzeugt: "Sie hat sich nie, was der ein oder andere Schiedsrichter gerne macht, in den Vordergrund gespielt. Ich kann mich an kein Spiel erinnern, das aus dem Ruder gelaufen ist. Das ist eine ganz wichtige Sache, wenn man die Leistung von Frau Steinhaus beurteilen will."

Trotzdem gewinnt man den Eindruck, dass erst nach ihrem Rückzug vom Feld ein solcher Film und Geständnisse wie dieses möglich waren: "Ich wollte nie eine Sonderrolle, ich wollte nie eine Extrawurst", sagt Bibiana Steinhaus. "Ich glaube, das war auch Teil dessen, dass es für mich einfacher war, nicht aufzufallen - mit meiner Körperlänge, den kurzen Haaren. Ich habe auch immer die gleiche Kleidung getragen wie meine männlichen Kollegen. Es hat ein paar Jahre gebraucht zu akzeptieren, dass ich in dieser Gruppe von 25 Männern immer auffalle. Ich laufe wie eine Frau. Das mag daran liegen, dass ich eine Frau bin."

Die großen Skandale: Bei Demirbay war Schluss mit lustig

Natürlich kommt eine Bibiana Steinhaus-Doku nicht aus ohne Szenen mit folgenden Begegnungen aus: Bayern-Star Franck Ribery löste ihr zum Scherz im Spiel die Schnürsenkel. Es blieb bei einer zwinkernden Ermahnung ohne Karte. Steinhaus Vater sagt dazu: "Für mich war das eine Todsünde, Ribery muss rot bekommen, das geht gar nicht anders. Aber sie hat's nicht gemacht - und alle Welt hat gesagt: genau, weise Entscheidung, typisch Frau natürlich." Im Prinzip eine frauenfeindliche Position, da bei einem männlichen Schiedsrichter höchstwahrscheinlich ein Platzverweise stattgefunden hätte, sagt auch "FAZ"-Sportjournalist Michael Horeni.

Hertha Profi Peter Niemeyer fasste ihr statt an die Schulter versehentlich an die Brust, auch das regelte sie sehr souverän mit einem Lächeln. "Mit ihrer Art hat sofort allen Wind aus den Segeln genommen. Sie war Meisterin darin, die Dinge nicht besonders zu machen", sagt Niemeyer.

Schließlich Kerem Demirbay. Bei ihm war dann zu Recht Schluss mit lustig, als er der Schiedsrichterin 2015 eine frauenfeindlichen Spruch an den Kopf warf. Der gerade gelb-rot verwarnte Demirbay war bereits auf dem Weg in die Katakomben, als er auf halbem Weg noch einmal zur Schiedsrichterin zurückkehrte. "Er tat seine Meinung kund", erzählt Steinhaus, "dass in seiner Wahrnehmung Frauen im Männerfußball nichts zu suchen haben. Da war für mich eine Grenze überschritten. Das war einer der wenigen Momente in meinen 26 Jahren Schiedsrichter, wo ich auch wirklich Position bezogen habe und gesagt habe: Und das höre ich mir nicht an!"

Das Resultat: Eine Aufnahme des Zitats in den Spielberichtsbogen - und drei Spiele Sperre wegen Schiedsrichter-Beleidigung für den damaligen Profi in Diensten von Fortuna Düsseldorf, der heute für Bayer Leverkusen spielt.

"Howard hat mich zu einem besseren Menchen gemacht"

Auch Lebensgefährte Howard Webb kommt zu Wort, mit englischem Charme und sehr souverän. Man sieht den beiden beim Kochen in der Hannoveraner Wohnung und beim Spazierengehen zu: "Als Howard in mein Leben getreten ist, hat er mich wirklich zu einem besseren Menschen gemacht", erzählt Steinhaus. Kennengelernt haben sich die beiden bei einem UEFA-Schiedsrichter-Lehrgang in Rom. Aber schon beim WM-Finale 2010, das Webb leitete, fand sie seine Präsenz auf dem Bildschirm "überragend". Als man sich in einer Römer Hotel-Lobby das erste Mal über den Weg lief - auch Webb kannte Steinhaus aus Medienberichten und hatte sie bereits als "eindrucksvolle Erscheinung" abgespeichert, stellte sich der Engländer der Deutschen vor.

"Hallo Bibi, mein Name ist Howard Webb." - "Ich weiß, wer du bist", antwortete Steinhaus. "Ich war so schwer beeindruckt, dass ich wahrscheinlich nicht so ganz viele Worte herausgebracht habe", gesteht sie. Sie blieben in Kontakt und als sich beide in Frankfurt befanden - Steinhaus, weil sie dort pfiff und Webb, weil er in ein Flugzeug nach Saudi-Arabien umsteigen musste - verabredete man sich zum ersten Abendessen.

Momentan lebt Webb noch häufig in New York. "Wir sind ganz offen, was unsere Zukunft betrifft", sagt Steinhaus. "Egal wo, sie wird auf jeden Fall gemeinsam stattfinden. Howard ist mein größter Kritiker, aber auch mein größter Unterstützer."

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