Öffentlich-rechtliche Mediatheken verschmelzen

"Supermediathek": ARD und ZDF bauen eigenes "Netflix"

21.06.2021 von SWYRL/Eric Leimann

ARD und ZDF reagieren in Sachen Streaming auf die Konkurrenz von Amazon, Netflix und Co.: Bald werden die Mediatheken-Inhalte der Einzelsender auch bei den anderen Portalen des öffentlich-rechtlichen Netzwerks verfügbar sein. Für europäische Erweiterungen der Idee ist man offen.

Bald wird es so weit sein, dass man in den Mediatheken von ARD oder ZDF nebeneinander das Krimiflaggschiff "Tatort" und die vielfach preisgekrönte ZDF-Bankenthriller-Serie "Bad Banks" empfohlen bekommt. Oder, wenn man es lieber geschichtlich-gediegen mag, "Charité" vom Ersten direkt neben der "Ku'damm"-Reihe vom Zweiten anklicken darf.

"Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir unsere Mediatheken zu einem Streaming-Netzwerk ausbauen", verkündete der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow in Mainz. Auf einer virtuellen Pressekonferenz stellten die Granden von ARD und ZDF am Montag ihr Konzept vor, wie man der in rasantem Tempo Marktanteile erhaschenden Konkurrenz "aus Übersee" - wie Amazon, Netflix und Co. etwas verklausuliert bezeichnet wurden - Paroli bieten will. Auch andere nicht-kommerzielle Anbieter wie ARTE, KiKA oder 3sat sollen Teil des neuen öffentlich-rechtlichen Mediatheken-Netzwerks werden.

Dabei wird sich die Optik der anvisierten "Supermediathek" nicht grundlegend ändern. Es entsteht auch kein neues Portal mit neuem Namen. Jeder User kann weiterhin die ARD- oder ZDF-Mediathek aufrufen, findet dort aber eben auch die Inhalte der öffentlich-rechtlichen "Konkurrenz".

Allerdings soll bei beiden Sendern künftig mit gemeinsamen Algorithmen gearbeitet werden. Das heißt, die personalisierte Nutzung des Mediatheken-Angebots geschieht übergreifend für Angebote von ARD, ZDF und Co. - wodurch Empfehlungen für "Tatort"/"Bad Banks" oder vielleicht auch Misch-Pakete der Sender mit Info- oder Kulturangeboten auf einer Vorschlagsleiste möglich werden. Wer sich für eine der beiden Mediatheken registriert, kann auf jeden Fall alle Vorteile des Gesamtnetzwerks vollumfänglich nutzen, heißt es bei ARD und ZDF.

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Gibt es bald eine europäische "Supermediathek"?

Zusammen verfügen ARD und ZDF über einen Inhalte-Katalog von mehr als 250.000 Filmen, Dokumentationen, Satire- und Serienstoffen. Die Idee, mit dem digitalen Angebot technisch und inhaltlich zu verschmelzen, wollen die beiden großen deutschen Staatssender auch anderen europäischen Partnern unterbreiten. Weil sich Österreich, die Schweiz und Frankreich bereits über 3sat und ARTE mit im Boot befinden, geschieht dies bereits jetzt, aber Kooperationen mit weiteren europäischen Ländern könnten folgen, wurde verkündet.

Einen konkreten Zeitplan für das Voranschreiten des Projekts gibt es nicht, aber in etwa zwei Jahren will man den Prozess der Verschmelzung weitgehend abgeschlossen haben. Ins Streaming-Netzwerk wird aber schon viel früher eine übergreifende Suchfunktion über beide Angebote eingebaut werden.

Begünstigt wird die engere technische Zusammenarbeit durch den gemeinsamen Standort beider Mediatheken in Mainz. Und - ganz neu ist das Verschmelzen nun auch nicht. Zuletzt hatten beide Mediatheken bereits die Inhalte des Jugend-Angebotes funk sowie von ARTE in ihr Portfolio integriert. Mit dem Startschuss am 21. Juni 2021 soll der Prozess der digitalen On-demand-Angebote jedoch eine deutliche Steigerung in Sachen Dynamik erfahren.

Erster Schritt zur Fusion von ARD und ZDF?

Trotzdem arbeiten die Redaktionen der beiden Sender weiter unabhängig voneinander, denn sowohl in Mainz beim ZDF wie auch im ARD-Netzwerk ist man überzeugt: Konkurrenz belebt das Geschäft. Nachfragen von Journalisten, ob die digitale Kooperation ein erster Schritt zu einer Fusion von ARD und ZDF sei, erteilten sowohl ZDF-Mann Bellut wie auch der ARD-Vorsitzende Buhrow eine Absage.

Bei beiden Sendern würde in etwa "ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag" pro Jahr in die Mediatheken fließen, vielleicht könne man in Zukunft etwas Geld sparen, wenn man sich etwa auf eine technische Plattform, einen "Player", einigen würde, hieß es vonseiten der Mediatheken-Fachleute vor Ort.

Eine umfassende inhaltliche Zusammenlegung von Programmredaktionen sei jedoch nicht geplant, hieß es während der Pressekonferenz vonseiten der Senderchefs. Auch ist davon auszugehen, dass in Zukunft weiterhin ausgewählte öffentlich-rechtliche Inhalte - Serien, Filme oder Dokumentationen - bei Privatanbietern wie Amazon oder Netflix aufschlagen werden. Ein Verwertungs-Embargo in Richtung "Übersee" ist also nicht geplant.

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