Armin Maiwald im Interview

50 Jahre "Die Sendung mit der Maus" und kein Ende in Sicht

27.02.2021 von SWYRL/Elisa Eberle

"Die Sendung mit der Maus" wird 50, und er war von der ersten Stunde an dabei: Seit 1971 widmet sich Armin Maiwald in dem ARD-Erfolgsformat Woche für Woche kniffligen Zuschauerfragen. Ans Aufhören, das wird im Interview schnell klar, denkt er auch im stolzen Alter von 81 Jahren noch lange nicht.

Für viele ist er ein Kindheitsheld: Seit mittlerweile 50 Jahren erklärt Armin Maiwald in der "Sendung mit der Maus" sonntags, um 11.30 Uhr, im KiKA sowie zumeist um 9.30 Uhr im Ersten Kindern wie auch Erwachsenen die Wunder unserer Welt. Grund genug also, anlässlich der bevorstehenden Jubiläumsausgabe "Die Geburtstagssendung mit der Maus" (Sonntag, 7. März, 9.00 Uhr, Das Erste; 11.30 Uhr, KiKA), einen Blick zurückzuwerfen: Wie erklärt Maiwald sich den langjährigen Erfolg des Kinderprogramms? Gab es jemals die Überlegung, etwas daran zu ändern? Und was wünscht er der Maus für die Zukunft? Das alles verrät der 81-Jährige im Interview.

teleschau: "Die Sendung mit der Maus" ist eines der langlebigsten Kinderformate im deutschen Fernsehen. Sie wird nicht nur von Kindern, sondern auch von einigen Erwachsenen geschaut. Wie erklären Sie sich den anhaltenden, generationenübergreifenden Erfolg?

Armin Maiwald: Ich glaube, eines unserer Rezepte ist die Ehrlichkeit in dem, was wir machen. Wir recherchieren sehr gründlich und versuchen, aus den Ergebnissen eine Geschichte zu bauen, die die Leute mitnimmt. Es ist eine Reise ins Unbekannte: Wir fangen mit etwas Bekanntem an und gehen von da, Stückchen für Stückchen weiter. Außerdem sind wir nicht nur einseitig themenorientiert: Es gibt ökologische und technische Themen, in kleineren Geschichten sind aber auch mal poetische Ansätze drin. Manchmal machen wir einfach nur Quatsch: zum Beispiel, als wir die Fußballbegriffe wirklich wörtlich genommen haben. Das war ein Riesenknaller! Oder als wir gefragt wurden: "Wie lange schreibt ein Kugelschreiber?"

teleschau: Das klingt witzig ...

Maiwald: All diese Dinge sind zum Teil zwar witzig verpackt, haben trotz allem aber einen sachlichen Hintergrund. Diese Mischung ist auch eines der Erfolgsrezepte, mit denen das so lange gut gegangen ist. Wir bemühen uns natürlich, jedes Mal, bei jeder neuen Geschichte wieder, eine neue, adäquate Form zu finden, diese Geschichte zu erzählen.

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"Es hat sich viel getan"

teleschau: Sie sprachen von neuen Erzählformen. Die Maus selbst hat sich über die Jahrzehnte allerdings kaum verändert. Gab es einmal die Überlegung, die Zeichentrickmaus durch modernere Darstellungsformen, etwa eine Computeranimation zu ersetzen?

Maiwald: Naja streng genommen hat sich die Maus schon verändert: Die ersten 300 bis 400 Maus-Spots wurden noch mit der Hand gezeichnet. Die neueren Spots werden hingegen auf dem Computer gemacht. Das ist schon ein Unterschied, auch in der Wahrnehmung. Wenn Sie einem Computer sagen: "Mach den Strich zwei Pixel breit", dann ist er zwei Pixel breit. Wenn man aber mit der Hand zeichnet und ein bisschen mehr auf den Stift drückt, dann wird der Strich ein bisschen dicker und lebt dadurch. Mal ganz abgesehen von den neuen Geschichten, die mittlerweile für die Maus geschrieben werden. Die Schnittfolgen sind ein bisschen kürzer geworden. Die Sehgewohnheiten haben sich verändert. Alles in allem hat sich viel getan, wobei wir versuchen, die Qualitätsstandards zu halten.

teleschau: Aber es gab nie die konkrete Überlegung, die Erscheinungsform der Maus komplett umzuwerfen?

Maiwald: Ich kenne keine Überlegung in der Richtung. Zwischendurch gab es zwar die Überlegung, noch mal eine neue Figur dazu zu packen. Zu Zeiten des inzwischen verstorbenen Zeichners Friedrich Streich etwa gab es das kleine grüne Männchen, das ab und zu aufgetaucht ist. Aber das ist immer wieder verworfen worden. Die einzigen drei Figuren, die geblieben sind, sind Maus, Elefant und Ente. Und die haben natürlich auch ihren zugewiesenen Charakter: Wenn die Ente auftaucht, entsteht immer Chaos. Maus und Elefant versuchen dann, das Problem auf ihre Weise zu lösen.

teleschau: Sie sagten, die Sehgewohnheiten hätten sich verändert. Wie bewerten Sie den Wandel, speziell im Kinderfernsehen?

Maiwald: Na ja, wenn man sich andere Programme anschaut ... - Was da als Kinderprogramm definiert wird, das ist zum Teil billig hergestellter Zeichentrickschrott. Es ist oft laut und schrill und kreischend. Dem würden wir uns wahrscheinlich nicht so leicht hingeben. Natürlich sehen Kinder gerne Zeichentrick, aber eben nicht nur. Sie wollen manchmal auch vernünftige Fakten haben und wissen, wie etwas geht. Deswegen setzen wir auf eine Mischung.

"Wir wollten nicht die Schule ersetzen"

teleschau: Kommen wir zu Ihren persönlichen Erinnerungen an 50 Jahre "Die Sendung mit der Maus". Können Sie sich noch an die erste Geschichte erinnern?

Maiwald: Natürlich kann ich mich noch erinnern! Die allerersten Filme, die ich für die Maus gedreht habe, waren "Brötchen", "Milch" und "Ei". Sie sind sogar schon in der Zeit, bevor es "Die Sendung mit der Maus" hieß, entstanden. Das war 1968 oder 1969. In dieser Probephase hieß die Sendung noch "Lach- und Sachgeschichten für Fernsehanfänger". Zeichentrickfilme gab es zu dieser Zeit schon. Das Neue an unserem Format waren die Sachgeschichten, die versuchten, sich mit Dingen aus dem täglichen Leben auseinanderzusetzen. Das war damals relativ schwierig, weil wir eher wussten, was wir nicht wollten, als dass wir hätten definieren können: Wie soll das Ganze denn aussehen? Und so war es eher ein Ritt durch Versuch und Irrtum, bis wir in der dritten oder vierten Staffel zu der Form gefunden haben, die lange Jahre unser Markenzeichen war.

teleschau: Was wollten Sie nicht?

Maiwald: Wir wollten vor allen Dingen nicht die Schule ersetzen. Wir wollten nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen und sagen: "Das geht so und so" oder "Das müsst ihr so und so sehen". Stattdessen haben wir uns von Anfang an als Suchende begriffen, die einen Weg suchen, die Dinge nachzuverfolgen. Beim Brötchen haben wir damals angefangen am Frühstückstisch und sind alle Stationen zurückgegangen bis zum Mehl und zum Teig und dann wieder vorwärts, bis es auf dem Tisch gelandet war. Beim Ei ging die Reise bis zum Huhn und bei der Milch bis zur Kuh. Das heißt, es war sozusagen schon damals der Versuch einer Reise rückwärts.

Eine unlösbare Geschichte

teleschau: Welches war Ihr persönliches Highlight aus 50 Jahren "Die Sendung mit der Maus"?

Maiwald: Ich sage immer: Der nächste Film, den ich machen muss, ist das Highlight, sonst wird nichts draus. Am meisten erinnere ich mich aber an die besonders schwierigen Filme. Das waren zum Beispiel die "Nachkriegsmaus", "Was macht Vitamin C in meinem Körper?" oder "Was geschieht, wenn man tot ist?". Dann gibt es natürlich Geschichten, an denen wir gescheitert sind wie etwa die Geschichte mit der Blumenuhr.

teleschau: Was war mit der Blumenuhr?

Maiwald: Carl von Linné war ein Naturwissenschaftler, der an der Universität von Uppsala gelehrt und geforscht hat. Vor circa 200 Jahren hat er herausgefunden, dass bestimmte Blumen zu einer bestimmten Zeit ihre Blüten öffnen und zu einer anderen bestimmten Zeit ihre Blüten wieder schließen. Deswegen sind wir auf die Idee einer Blumenuhr gekommen: Wir haben eine riesige Uhr besorgt und haben all diese Pflanzen, von denen Linné geschrieben hat, an ihre jeweilige Zeit gestellt. In einem Zeitraffer wollten wir zeigen, wie diese Uhr funktioniert. Doch am Ende hat nicht eine einzige Blüte das getan, was sie tun sollte. Wir sind relativ frustriert nach Hause gefahren und haben die Redaktion gefragt: Okay, was machen wir jetzt daraus? Dieter Saldecki, unser damaliger Redakteur, hat gesagt: "Okay, dann erzählen wir jetzt die Geschichte unseres Scheiterns."

"Es wird nicht langweilig"

teleschau: Haben Sie jemals daran gedacht, ganz mit der "Sendung mit der Maus" aufzuhören? Immerhin sind Sie inzwischen über 80 Jahre alt ...

Maiwald: Nein, ich fühle mich ja noch gesund. Solange der Körper und der Kopf mitmachen und die Leute mich noch sehen wollen, mach ich weiter. Jede neue Geschichte ist wieder neu spannend. Es gibt wieder neue Herausforderungen, und man muss neu nachdenken. So bleibt das Gehirn im Training, und es wird einem auch nicht langweilig.

teleschau: Die Maus erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Während des Lockdowns dürfen sich Fans sogar über eine fast tägliche Ausgabe im WDR Fernsehen freuen. Welche Bedeutung messen Sie solchem Bildungsfernsehen, gerade in Zeiten von Schulschließungen zu?

Maiwald: Wir haben uns niemals als Bildungsfernsehen verstanden! Denn wir arbeiten in einem Unterhaltungsmedium und können die Schule nicht ersetzen. Lernen ist etwas Systematisches, in der die eine Unterrichtsstunde auf die vorherige aufbaut. Bei uns ist das aber nicht der Fall: Unsere Sendung ist jedes Mal neu, wir können uns nicht darauf verlassen, dass jemand Stammzuschauer ist und schon viele Folgen gesehen hat. Stattdessen müssen wir immer bei null anfangen. Insofern hat es mit klassischem Lernen relativ wenig zu tun. Es ist ein Lernen im Vorbeigehen. Aber wenn unsere Geschichten jetzt, während die Schulen geschlossen sind, einfach laufen und die Kinder dadurch nebenbei etwas lernen, ist das kein Fehler. Das finde ich prima!

teleschau: Bekommen Sie etwas von den Zuschauerreaktionen auf diese häufigere Sendefrequenz mit?

Maiwald: Ja, es gibt viele positive Reaktionen. Wir haben gehört, dass es sehr gut angenommen wird und sich viele darauf freuen, dass sie das jetzt so oft sehen können.

teleschau: Trägt die Maus dieser Tage Maske?

Maiwald: Ich glaube, das hat es schon gegeben. Aber die Maus ist als Zeichentrickfigur kein lebendiges Wesen. Insofern könnte man das nur symbolisch sehen. Allerdings haben wir viel zu dem Thema gemacht: "Wie werden Masken hergestellt?" oder "Wie funktioniert das mit den Aerosolen?" Damit haben wir schon recht früh, während des ersten Lockdowns, angefangen.

teleschau: Zum Abschluss: Was wünschen Sie der Maus für ihre Zukunft?

Maiwald: Ich wünsche ihr, dass sie ihre ureigenen Glaubensregeln nicht verliert, nämlich es immer so gut es geht zu machen und es so gut es eben geht zu erzählen. Wenn sie das tut, dann glaube ich, wird sie noch ein ziemlich langes und vergnügliches Leben haben.

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